Wiener haben so eine, sagen wir, charmante Eigenart. Es wird hier gerne gefäult: über alles und am liebsten über das eigene Nest.

Wobei paradoxerweise jene, die über Wien fäulen, nie als Nestbeschmutzer wahrgenommen werden. Sehr wohl aber jene, die ganz Österreich bekritteln. Nennen wir es das Wiener Paradoxon. Weiterführend wird noch lieber über jene gefäult, die Wien vielleicht doch ganz angenehm finden könnten. Trotz der Gefahr einer von gefährlichem Dönergas durchzogenen U6, die eine tollkühnere Route abfährt als der vereiste Katastrophenzug namens Snow Piercer.

Wien ist zwar die vormalige Insel der Seligen, aber dieses im Handumdrehen verderbte Stadtwesen morpht sich nun hinterhältig zur Brutstätte der Verzweiflung.

Nein, Wien ist nicht nur morbide, das wär noch in Ordnung gewesen. Wien ist das schwarze Loch, das noch das letzte Lebenslicht schluckt und in dessen unbekanntem Inneren die merkwürdigsten Dinge vor sich gehen. Nix Genaues weiß man nicht, obwohl man durchaus vergleichbare Daten von anderen Großstädten hat, die ein wenig Aufschluss darüber geben könnten, was in Wien eigentlich gut läuft.

Aber wozu, gebraucht wird beständiger Alarmismus. Die Matschgeranlässe, auf die die Wiener ähnlich stolz sind wie auf kaiserliche Familienjuwelen und auf die Sterne in Sisis Haar, obwohl die ihnen nie gehört haben, sind so unendlich wie die ewigen Jagdgründe. Ach Wien, du Oberster Problembär aller Problembären ... Genauer betrachtet, ist das ganz sicher untertrieben: Wien ist nicht nur zum Fürchten, Wien ist vermutlich überhaupt das Mordor vom Auenland!

Und dann wird Wien heuer auch noch zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt. Hoffentlich überleben wir das. (Julya Rabinowich, 17.8.2018)