In Mangelberufen werden Lehrlinge gesucht – wenn sich ein Asylsuchender meldet, kann es sein, dass er die Ausbildung abbrechen muss.

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Wien/Linz – Die vom grünen oberösterreichischen Landesrat Rudi Anschober gestartete Onlinepetition "Ausbildung statt Abschiebung" verzeichnet immer mehr Exponenten der ÖVP unter ihren Unterstützern. Nach dem früheren ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und 54 ÖVP-Bürgermeistern unterstützen nun auch der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas, der frühere EU-Kommissar Franz Fischler sowie der frühere Vizekanzler und VP-Chef Wilhelm Molterer das Anliegen.

Es geht darum, dass abgelehnte Asylwerber nach geltender Rechtslage abzuschieben sind, wenn ihr Asylantrag als unbegründet abgelehnt wird. Anschober aber strebt an, dass diejenigen Asylwerber, die während ihres Verfahrens eine Lehrstelle in einem Mangelberuf gefunden haben, die Lehre abschließen und zwei weitere Jahre im Beruf tätig bleiben können. Das würde der Wirtschaft, die diese Arbeitskräfte braucht, nützen – und nach Ausbildung und verfestigtem Aufenthalt am Arbeitsplatz würden die Betreffenden in der Praxis gar nicht mehr zur Ausreise gezwungen.

Vorbild aus Deutschland

Für die Wirtschaft wäre das gut, weil sie ja die Fachkräfte in Mangelberufen braucht – und weil es besonders absurd erscheint, dass Menschen gerade dann aus den Betrieben gerissen werden, wenn sie nach einigen Monaten oder Jahren der Ausbildung produktive Mitarbeiter geworden sind. Gegner des Systems "3 plus 2", das auch in Deutschland praktiziert wird, verweisen darauf, dass das Prinzip Asyl auf diese Weise ausgehebelt wird: Wer es geschafft habe, unter Berufung auf ein für ihn aus Sicht der Behörde nicht bestehendes Asylrecht einzureisen, könne sich so den Aufenthalt in Österreich ersitzen.

Für diesen Argumentatsionsstrang steht der FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker: Die Entscheidung darüber, wer ein Bleiberecht bekommt und wer nicht, liege bei unabhängigen Gerichten und sei konsequent umzusetzen. "Wer das Asylrecht als Wirtschaftsmigrant missbraucht, darf und kann nicht belohnt werden, indem man den Rechtsstaat außer Kraft setzt."

Für die Unterzeichner überwiegen allerdings die wirtschaftlichen und humanitären Aspekte im Vordergrund, von ÖVP-Politikern gibt es gelegentlich auch einen Seitenhieb auf die aktuelle Parteiführung: "Einerseits wird jeden Tag der Fachkräftemangel beklagt. Andererseits stehen arbeitswillige junge Menschen, die während ihres Asylverfahrens eine Ausbildung zum Facharbeiter erhalten, regelmäßig vor ihrer Abschiebung. Viele greifen sich wegen dieser Widersprüche an den Kopf", findet etwa EU-Delegationsleiter Karas, der die Volkspartei als Spitzenkandidat in die nächste Europawahl führen könnte und zudem als nächster EU-Kommissar Österreichs im Gespräch ist.

Wege für legale Zuwanderung gesucht

Karas wünschte sich in einem STANDARD-Interview eine gemeinsame europäische Asylpolitik und funktionierende Wege für die legale Zuwanderung. "Dabei müssen wir auf leistungs- und integrationswillige Menschen Rücksicht nehmen und internationales Recht respektieren."

Auch der frühere EU-Kommissar Fischler weist darauf hin, dass Österreich Facharbeiter brauche. Für den früheren Parteichef Molterer ist Bildung die "beste Starthilfe" für junge Menschen. "Egal ob sie bei uns bleiben können oder in ihre Heimat zurückkehren (müssen). Unsere duale Ausbildung ist dafür besonders geeignet. Daher unterstütze ich diese Initiative", schreibt Molterer.

Ein Drittel von Abschiebung bedroht

Von rund 900 Lehrlingen mit Migrationshintergrund ist derzeit ein Drittel von Abschiebung bedroht. Landesrat Anschober hat deshalb die Initiative "Ausbildung statt Abschiebung" gestartet. Über 700 Firmen und rund 57.000 Unterzeichner unterstützen bisher die Petition.

In einer Aussendung betont Anschober, dass sich laut einer Sora-Umfrage auch 79 Prozent der Österreicher gegen die Abschiebung von Lehrlingen aussprechen würden. "Mehrere Landeshauptleute, die Wirtschaftskammern der Steiermark und Oberösterreichs, der Wiener Wirtschaftskammerpräsident und viele andere aus der ÖVP haben sich kritisch zu den drohenden Abschiebungen positioniert." (cs, APA, 24.8.2018)