Harald Mahrer hat noch ein Präsidentenamt ergattert. Das erfordert angesichts der Ämterkumulierung viel Multi-Tasking.

Foto: APA/Georg Hochmuth

Am Mittwoch wurde Harald Mahrer zum Präsidenten der Oesterreichischen Nationalbank designiert. Der ÖVP-Mann wurde wegen seiner großen Ämtersammlung prompt kritisiert, auch Unvereinbarkeiten werden von der Opposition geortet. Mahrer verteidigt die Bestellung und betont, dass die Geldpolitik nicht der Kontrolle durch den Generalrat, dem er vorsteht, erfasst ist. In der Wirtschaftskammer will der Ex-Minister trotz erforderlicher Einsparungen in Bildung und Internationalisierung investieren. Eine heiße Lohnrunde erwartet Mahrer trotz der Drohungen der Gewerkschaft, die wegen des Zwölfstundentags erzürnt ist, nicht. Die größte Herausforderung sieht er im Fachkräftemangel.

STANDARD: Wie kam es zu Ihrer Bestellung zum Präsidenten der Nationalbank?

Mahrer: Ich bin gefragt worden ...

STANDARD: Wann?

Mahrer: Kürzlich. Es ist eine ehrenvolle und bedeutende wirtschaftspolitische Aufgabe, aber es ist eine Aufsichtsaufgabe, also keine operative Funktion.

STANDARD: Sie spielen auf die Kritik an, wonach Sie als Wirtschaftskammerchef und Präsident von SVA, Wifo, Wirtschaftsbund u. a. an Ihre Multi-Tasking-Grenzen stoßen könnten.

Mahrer: Viele haben das Amt des Nationalbankpräsidenten mit dem des Gouverneurs verwechselt. Die Wirtschaftskammer war immer im Generalrat vertreten, ich leite jetzt halt das Gremium.

STANDARD: Mit einem Zwölfstundentag geht sich das nicht aus.

Mahrer: Man muss ehrenamtliche Tätigkeiten – wie in der Sporthilfe und in der politischen Akademie – von anderen Funktionen unterscheiden. Aber klar, meine Arbeitswoche ist eine lange.

STANDARD: Andere WKO-Chefs haben ihr Amt zurückgelegt, als sie OeNB-Präsidenten wurden.

Mahrer: Das war aber vor der Euro-Ära. Die währungs- und geldpolitischen Kompetenzen des Generalrates sind auf die EZB übergegangen. Die Aufgaben des Generalrats haben sich im Wesentlichen auf die eines Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft reduziert.

STANDARD: Ein anderer Kritikpunkt ist, dass Sie als Fürsprecher der Banken in der OeNB auftreten könnten.

Mahrer: Die Notenbank muss eine unabhängige Institution sein, das ist auch mir sehr wichtig.

STANDARD: Aufhorchen ließ Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner mit der Äußerung, Kanzler Sebastian Kurz habe ihm den Posten angeboten. Er spricht von einer eigenartigen Entscheidungskultur.

Mahrer: Ich möchte das nicht kommentieren, weil ich es nicht weiß.

STANDARD: Woher kam der Sinneswandel, dass die ÖVP den Präsidenten der OeNB stellt und damit der FPÖ die Nominierung des wichtigeren Gouverneurs überlässt?

Mahrer: Auch dazu kann ich nichts sagen. Der Generalrat wird eine Ausschreibung machen. Die Positionen des Direktoriums werden mit topqualifizierten Leuten besetzt werden. Darum und um die Unabhängigkeit der Notenbank geht es.

STANDARD: Sie sind nun seit gut drei Monaten Wirtschaftskammerchef. Entsprechen die bisherigen Erfahrungen Ihren Erwartungen?

Im Mai übernahm Mahrer die WKO von Christoph Leitl.
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Mahrer: Ich bin viel bei den Betrieben, und es macht viel Spaß. Was ich unterschätzt habe, ist das Ausmaß des Fachkräftemangels, der den Betrieben unter den Nägeln brennt. Das zeigen vorläufige Ergebnisse einer Erhebung, die wir durchführen. Das zu bewältigen wird kein Kindergeburtstag. 87 Prozent der Betriebe rechnen damit, vom Fachkräftemangel betroffen zu sein, 49 Prozent sehen Auswirkungen auf ihre Investitionen. Das waren vor zwei Jahren noch nicht so hohe Zahlen.

STANDARD: Was unternehmen Sie?

Mahrer: Wir wollen einen dreistelligen Millionenbetrag in Bildung und Weiterentwicklung der Lehre investieren. Das wird aber nicht die alleinige Lösung sein. Auch im Regierungsprogramm finden sich dazu richtige Ansätze, beispielsweise die Regionalisierung der Mangelberufsliste und neue Lehrberufe.

STANDARD: Ist da Ihre Position bei asylwerbenden Lehrlingen, für Abschiebungen bei negativen Bescheiden einzutreten, nicht kontraproduktiv?

Mahrer: Man hört da immer nur die Hälfte eines Satzes, die lautet, Recht soll Recht bleiben. Die zweite Hälfte: Man könnte ein humanitäres Bleiberecht aussprechen und dann die Lehre beenden. Um eine Lösung für hoch motivierte Lehrlinge mit guten Deutschkenntnissen zu finden, bin ich mit der Regierung im Gespräch.

STANDARD: Die Regierung hat Einsparungen von den Kammern verlangt. Die Frist für Vorschläge der Sozialpartner ist zum Halbjahr abgelaufen. Gab es hier Neuerungen?

Mahrer: Mit 1. 1. 2019 wird eine Kammerreform umgesetzt, mit der die Beiträge um 100 Millionen Euro gesenkt werden. Das ist zum Teil mit der Novelle der Gewerbeordnung verbunden, mit der Mehrfachmitgliedschaften abgeschafft werden. Zudem müssen wir Geld in die Hand nehmen, um mit der Außenwirtschaftsorganisation in neue Märkte zu gehen. Der dritte Bereich sind die Investitionen in Bildung, beispielsweise im Digitalbereich, in dem wir stark auf neue Campus-Standorte setzen. Da geht es um die gesamte Weiterbildung der Betriebe.

STANDARD: Auf die Kammer kommt im Herbst bei den startenden Lohnrunden viel Gegenwind seitens der Gewerkschaften zu. Sie fordert Kompensation für den Zwölfstundentag.

Mahrer: Ich erwarte mir von einer sehr gut funktionierenden Tarifpartnerschaft in Österreich Lohnverhandlungen mit Augenmaß und auf Augenhöhe. Ich glaube auch, dass die Verhandlungen so stattfinden werden. Das eine ist die politische Kommunikation in der Öffentlichkeit und das Kampagnisieren, das andere ist, die standortpolitische Verantwortung zu übernehmen. (Andreas Schnauder, 25.8.2018)