Robert Williams war von 1993 bis 1998 Direktor des Space Telescope Science Institute und damit für das Hubble-Weltraumteleskop verantwortlich.

Foto: Space Telescope Science Institute

Kein anderes Instrument hat unser gegenwärtiges Verständnis vom Weltraum derart geprägt wie das Hubble-Weltraumteleskop. Seit 25 Jahren verfolgt es funktionstüchtig seine Mission. In dieser Zeit war der US-Astronom Robert Williams einige Jahre Direktor des Space Telescope Science Institute, womit er auch für Hubble verantwortlich war.

Anlässlich der 30. Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union befindet sich Robert Williams – gemeinsam mit 8000 Astronomen – derzeit in Wien, um aktuelle Ergebnisse und zukünftige Pläne in der Astronomie zu diskutieren.

STANDARD: Vor 28 Jahren hat das Hubble-Weltraumteleskop seinen Betrieb aufgenommen, seit 25 Jahren liefert es brauchbare Daten und befindet sich jetzt am Höhepunkt seiner Mission. Was waren bislang die wichtigsten Entdeckungen?

Williams: Die Entdeckung, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt, muss als die bedeutendste angesehen werden. Auch die Deep-Field-Aufnahmen, durch die wir tausende Galaxien entdeckt haben, waren sehr wichtig. Das Schöne an der Astronomie ist: Wenn man ins All blickt, schaut man in der Zeit zurück. Die Astronomie ist die einzige Wissenschaft, die uns einen direkten Blick in die Vergangenheit erlaubt. Wenn wir weit genug sehen, können wir bis zum Urknall schauen.

Ursprünglich waren die Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops in Schwarz-Weiß. Um damit die Öffentlichkeit zu begeistern, entschied man sich für Farbaufnahmen. Im Bild: Lagunennebel im Sternbild Schütze, er ist etwa 5200 Lichtjahre von der Sonne entfernt.
Foto: APA/AFP/Nasa/Hubble

STANDARD: Sie waren von 1993 bis 1998 für Hubble verantwortlich. Eine Ihrer wichtigsten Entscheidungen führte zur Entdeckung der beschleunigten Ausdehnung des Universums. Wie kam es dazu?

Williams: Es gab zwei Gruppen, die die Ausdehnung des Universums erforschten. Wir wussten damals nicht, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt; wir dachten im Gegenteil, dass es langsamer wird. In welchem Ausmaß das vor sich geht – das war eine schwierige Messung. Die Resultate waren okay, aber nicht spektakulär. In der Community gab es den Eindruck, es seine keine weiteren Messungen nötig. Ich war aber der Ansicht, dass das weiterhin ein interessantes Problem sein würde, und ich gab beiden Teams 1995 noch eine Chance. 2011 wurde für die Entdeckung der beschleunigten Ausdehnung des Universums der Physik-Nobelpreis vergeben.

STANDARD: Die Hubble-Mission ist sowohl wissenschaftlich als auch kulturell sehr einflussreich. Wie stark hat Hubble verändert, wie wir über das Universum denken?

Williams: Enorm stark! Mein Vorgänger hatte das Problem, dass das Teleskop noch keine ordentlichen Aufnahmen produzierte. Wir waren die Witzfigur der Welt: 2,5 Milliarden Dollar für ein Teleskop, das nicht funktionierte! Zum Glück war die Reparatur gerade gelungen, als ich 1993 zum Direktor ernannt wurde. So konnten wir die ersten wissenschaftlichen Daten sammeln und damit an die Öffentlichkeit gehen. Zu dieser Zeit waren die meisten Hubble-Bilder nicht in Farbe, sondern schwarz-weiß. Doch für Outreach sind Farbaufnahmen viel besser, und so haben wir begonnen, Aufnahmen mit verschiedenen Filtern zu machen, um Farbfotos zu erhalten.

Überblick über grundlegende Funktionen des Hubble-Weltraumteleskops (Englisch)
All About Universe

STANDARD: Welche Botschaft transportieren die Fotos des Hubble-Weltraumteleskops?

Williams: Ich vergleiche die Astronomie gerne mit Musik: Der Mensch kann ohne sie überleben. Aber das Leben wäre viel ärmer. Der Moment, in dem man das Universum entdeckt und die Umgebung, die es möglich gemacht hat, dass Leben entsteht, ist essenziell für unsere Wertschätzung der Menschheit als Einheit, in der wir alle Brüder und Schwestern sind. So wie Musik unser Leben bereichert, tut das auch das Wissen um das Universum und welchen Platz wir darin einnehmen.

STANDARD: Wenn keine Maßnahmen unternommen werden, verglüht das Hubble-Weltraumteleskop letztlich in der Atmosphäre. Wie lange ist das Teleskop noch im Einsatz?

Williams: Im Moment sieht es so aus, dass es noch gut 15 Jahre im Einsatz ist.

STANDARD: Ist sein Schicksal besiegelt, oder kann es noch gerettet werden?

Williams: Es wäre wunderbar, wenn es in das Nasa-Raumfahrtmuseum käme. Aber wenn nicht Elon Musk oder jemand anderer eine Idee entwickelt, wird es leider verglühen. In der letzten Service-Mission ist eine Vorrichtung installiert worden, die es ermöglicht, das Teleskop über dem Südpazifik in die Erdatmosphäre eintreten zu lassen – so wird niemand gefährdet.

Die Galaxie NGC 4490 ist am 28. September 2017 vom Hubble-Weltraumteleskop aufgenommen worden.
Foto: APA/AFP/Esa/Hubble

STANDARD: Was kommt nach dem Hubble-Weltraumteleskop?

Williams: Einerseits das James-Webb-Weltraumteleskop (s. S. 14, Anm.). Doch neue Entdeckungen wie Gravitationswellen zeigen, dass wir nicht wissen können, was nach den Hubble-Resultaten kommt. Die Erforschung anderer Planeten ist die nächste Herausforderung in der Astronomie. Die Frage ist, ob es da draußen Leben gibt.

STANDARD: Was ist Ihre Meinung dazu?

Williams: Ich habe dazu eine andere Ansicht als die meisten meiner Kollegen. Wenn man die Frage stellt, ob es außerirdisches Leben gibt, würden die meisten Astronomen sagen: "Das Universum ist unfassbar groß, es gibt wahrscheinlich mehr Planeten im Universum als Sterne. Also: Ja, da draußen muss es Leben geben!" So weit würde ich zustimmen. Aber was Lebewesen betrifft, die sich ihrer selbst bewusst sind – ich wäre nicht überrascht, wenn es so etwas wie uns nur einmal gäbe, selbst wenn das Universum unendlich groß ist. Viele meiner Kollegen sehen das anders, und weil wir keinen Beweis haben, können wir nur spekulieren.

STANDARD: Wie lautet Ihre Schätzung, wie lange es dauert, bis wir außerirdisches Leben finden? Jahrzehnte oder Jahrhunderte?

Williams: Ich denke, dass es noch länger dauern wird und wir es womöglich nie finden werden. Es ist aber nicht das Finden entscheidend, sondern das Suchen. Daher unterstütze ich die Suche nach außerirdischem Leben. Wir werden dabei etwas über uns selbst herausfinden – und vielleicht noch etwas ganz anderes.

Am 31. Mai diesen Jahres haben die Wide Field Camera 3 (WFC3) und die Advanced Camera for Surveys (ACS), die beide am Hubble-Weltraumteleskop installiert sind, die Galaxie NGC 3256 aufgenommen.
Foto: APA/AFP/Esa/Hubble

STANDARD: Wie würden Sie einem Steuerzahler antworten, der sagt: Warum investieren wir so viel Geld für die Weltraumforschung – das James-Webb-Teleskop kostet etwa 8,5 Milliarden Euro – haben wir nicht genügend Probleme auf der Erde zu lösen?

Williams: Jeder Bürger muss diese Frage für sich selbst beantworten. Es gibt viele, die sagen, wir sollten stattdessen auf die Straße gehen und den Obdachlosen zu essen geben. In gewisser Weise stimme ich dem zu. Das Großartige an Demokratie ist, dass wir solche Entscheidungen gemeinsam treffen. Obwohl ich froh bin, dass das James-Webb-Teleskop entwickelt wird, muss ich zugeben, dass ich mir selbst auch die Frage stelle, ob so viel Geld dafür ausgegeben werden sollte – so sehr ich die Astronomie liebe. Ich respektiere den demokratischen Prozess, diese Frage zu beantworten.

STANDARD: Wie steht es um die astronomische Forschung in Österreich?

Williams: Sowohl bei der Gründung der europäischen Weltraumagentur Esa wie auch bei der Europäischen Südsternwarte Eso hat Österreich abgelehnt, Gründungsmitglied zu werden. Heute ist Österreich Mitglied in beiden Organisationen, investiert aber weniger in die astronomische Forschung als vergleichbare Länder. Als ausländischer Beobachter kann ich nur sagen: Österreich würde davon profitieren, mehr in Astronomie zu investieren – es wäre eine Bereicherung für das Leben der Menschen. (Tanja Traxler, David Rennert, 29.8.2018)