War der erste Jalousiengrill beim Arteon noch so na ja, wirkt er jetzt beim Touareg stimmig, weil gerahmt dargeboten. Ein insgesamt selbstbewusster Auftritt.

Foto: Andreas Stockinger

Nobles Interieur mit riesigem zentralem Tatschbildschirm.

Foto: Andreas Stockinger
Grafik: der Standard

Was als Erstes auffällt, sind die Windgeräusche. Bei Reisetempo 230 km/h auf deutscher Autobahn. Die Wartburg kann nicht warten, flott voran zum Ziel. Zum Streitschlichten ist schließlich Klingsor auf die Burg zu bringen, ein paar Sänger sind sich in die Wolle geraten; einer, Heinrich von Ofterdingen, hat in einem groben Verstoß gegen die Etikette nicht den Gastgeber, Landgraf Hermann, gepriesen, sondern den Babenberger Sebastian Kurz – nein, quatsch: Leopold den Glorreichen vom Wiener Hof. Damit dies nicht letal ende, ward eben Klingsor aus Hungarland ins schöne Thüringen gerufen.

Kaum Seitenneigung

Zweiter Eindruck: Die Musik geht heute den Bach runter, die Fahrkultur nicht. Erstaunliche Laufruhe auch noch in besagtem Tempobereich. Die Gäste an Bord merken es gar nicht, zumal der Touareg auch in Kurven kaum zur Seitenneigung neigt. Das erzieht zu ruhiger Hand am Volant – was wiederum bisweilen den Spurhalteassistenten (sofern aktiviert) verunsichert. Ständig fordert er, das Lenkrad zu ergreifen.

Wie alle Neuzugänge des VW-Konzerns setzt auch der Touareg radikal auf Tatschbedienung. Ein Riesentrumm von Schirm prangt inmitten, ein Näherungssensor erleichtert die Bedienung, suboptimal ist und bleibt das Konzept dennoch, egal von welchem Hersteller. Der Ablenkungseffekt ist einfach zu groß. Dafür funktioniert die Sprachbedienung einwandfrei, eine vernünftige Alternative zum Griff auf den Monitor, und auch das Multifunktionslenkrad lässt sich blind bedienen.

Vorteil des zentralen Schirms: hervorragende Ablesbarkeit und Informationsaufbereitung. Nachteil: Klima. Es haben nur zwei kleine Düsen drunter Platz, von da kriegt man in superheißen Zeiten wie heuer nur wenig kühle Luft zugefächelt. Ist aber nur die ersten Minuten relevant, danach wird's rundum rasch wohltemperiert.

Gestreckter Galopp

Zurück zu Marschtempo – und Motor. 3,0-Liter-Diesel mit 286 PS, dazu 8-Gang-Wandlerautomatik. Weil Längseinbau – dazu gleich mehr -, ist die fantastische von ZF an Bord, nicht die für Quereinbauaggregate von Aisin. Überrascht hat uns nicht die Leistung. Die ist, was sie ist. Aber der Verbrauch. Angesichts so langer Strecken gestreckten Galopps hatten wir locker zehn, elf Liter erwartet. Weit gefehlt, er pendelte sich bei 8,6 l / 100 km ein – und im Normalbetrieb, auch da ohne viel Streicheleinheiten, waren es um die 7,5 Liter, wir haben in Österreich extra noch die Gegenprobe gemacht.

Damit zum Längseinbau. MLB, nicht MQB. Auskenner wissen Bescheid: VW-SUVs wie Tiguan und T-Roc stehen auf Versionen des Modularen Querbaukastens, der große, luxuriöse Touareg nicht. Der verwendet die zweite Generation des von Audi entwickelten Längsbaukastens, im SUV-Fall weiters genutzt von Audi (Q7, Q8), Bentley (Bentayga), Lamborghini (Urus), Porsche (nächster Cayenne). Ermöglicht ein ganz anderes Gesamtpaket als beim MQB, besonders augenfällig bei Fahrwerk und Langstreckenkomfort.

Goethes Farbenlehre

Dass man für so viel Geld auch innen einiges erwarten darf, etwa bei Materialauswahl und -abstimmung, steht außer Frage. Zusätzliches Schmankerl ist eine erlesen dezente Ambientebeleuchtung in Blau, ganz nach Goethens Farbenlehre. Genossen haben Chauffeur und Mitreisende das üppige Platzarrangement mit grandiosen Sitzen, beifahrerseitig wurden sämtliche Massagefunktionen durchprobiert, höchsten Zuspruch erzielten Welle Lende, vital, relax.

Infotainmentmäßig und beim autonomen Fahren ist der Touareg ebenfalls top, und damit noch rasch ein Sprung ins Weimarer Nietzsche-Archiv mit der Henry-van-de-Velde-Ausstattung. Das Bauhaus-Museum ist nicht zugänglich, 2019 wird die neue Adresse zur 100-Jahr-Feier eröffnet. Ein bisserl Bauhaus-Kunst muss aber sein, da VW-Chefdesigner Klaus Bischoff sich an dessen sachlich-klarer Philosophie orientiert. Wie so viele seines Metiers. (Andreas Stockinger, 10.9.2018)