Die Auftragslage der Industrie enttäuscht Erwartungen: Erstmals seit fünf Jahren stagnierte das Exportneugeschäft in der Eurozone.

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Pünktlich zu den letzten Sommertagen kühlt auch das globale Wirtschaftsklima ab. Der Konjunkturzenit ist, wie viele erwartet hatten, erreicht. Doch nun werden Prognosen noch weiter nach unten revidiert. Dass der langjährige Aufschwung reicht, um die Nachkrisenwunden komplett zu heilen, wird somit unwahrscheinlicher.

Ende der Woche häuften sich die Meldungen von schwächelnden Indikatoren, nachdem die Industriestaatenorganisation OECD am Donnerstag ihre Wachstumserwartung für 2019 für 16 der 20 größten Industrie- und Schwellenländer herunterschrauben musste. Die Konjunktur in der Eurozone hat sich im September wegen der schwächelnden Industrie abgekühlt. Sogar die deutsche Produktion verzeichnete im September den geringsten Zuwachs seit über zwei Jahren.

Dass Konjunkturzyklen auch lahmende Phasen kennen, sagt schon der Name. Doch politische Entscheidungen könnten die Wirtschaft zusätzlich belasten: "Die Unsicherheiten sind weltweit gestiegen, in einigen Ländern haben sich die Befürchtungen bereits bewahrheitet", sagte OECD-Chefökonomin Laurence Boone. Vor allem der US-Protektionismus und seine Folgen hätten den Welthandel getroffen.

Während der Erholungsphase in den vergangenen Jahren expandierte der globale Handel schneller als die Wirtschaftsleistung. Exportornationen wie Deutschland und Österreich erlebten einen überdurchschnittlichen Aufschwung. Die reihenweise eingeführten Zölle durch US-Präsident Donald Trump und die Reaktionen darauf kosteten den Welthandel Dynamik.

Realeinkommen als Sorgenkind

Jede neue Zolldrohung zieht erst später eine tatsächliche Handelsschranke nach sich. Diese übersetzt sich auf den Warentausch und die Preise erst, wenn bestehende Verträge und Lagerbestände erneuert werden. Wohin die Reise gehen könnte, zeigt eine der ersten, noch zaghaften Maßnahmen Trumps. Anfang des Jahres führten die USA Zölle auf Waschmaschinen ein. Seither sind die US-Preise für neue Geräte zwischen März und Juli um 20 Prozent gestiegen. "Das ist sehr konkret und trifft Menschen direkt", sagte Boone. Bei Stahlimporten und Autoexporten in die USA sehe man ebenfalls einen deutlichen Einbruch, seit dafür Zölle gelten.

Die Aufkündigung des Iran-Abkommens durch die USA sorgt für Verwerfungen am Energiemarkt. Die kommen wiederum mit Verzögerung über höhere Preise beim Konsumenten an, nennt Ökonom Christian Glocker vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) als Beispiel. Lange Boomjahre würden ohnehin in der Regel mit einiger Latenz die Inflation antreiben. Das würde die Realeinkommen treffen.

Die Einkommen in Europa sowie in den USA sind das Sorgenkind der aktuellen Erholungsphase. Dank des starken Wachstums näherte sich die Arbeitslosigkeit in den Industriestaaten wieder an das Vorkrisenniveau an. Allerdings bleiben das Niveau der unfreiwilligen Teilzeit und die Zahl der prekär Beschäftigten in der Eurozone weiterhin über dem Vorkrisenniveau.

Die USA verdanken die offiziell niedrige Arbeitslosigkeit auch dem Effekt, dass frustrierte Teile der Bevölkerung aufgegeben haben, einen Job zu finden. "Beides trägt dazu bei, dass die Einkommen verhalten wachsen", sagt OECD-Ökonomin Boone. Die Narben der Wirtschaftskrise sind also am Zenit der Boomphase noch nicht verheilt. Vielleicht klappt es beim nächsten Anlauf. (slp, 22.9.2018)