Die neue SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat eine Chance zu einer klaren Positionierung in Sachen Erbschaftssteuer verpasst.

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Die designierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gibt derzeit laufend Interviews, kommt aber nur selten dazu, über Inhaltliches zu sprechen. Das liegt nicht an der Politikerin selbst, sondern daran, dass Rendi-Wagner von Journalisten primär nach SPÖ-Interna gefragt wird.

Die Chance, einen inhaltlichen Pflock einzuschlagen, hat die Sozialdemokratin in einem "ZiB 2"-Interview spektakulär ausgelassen. Auf die Frage, ob sie für die Einführung von Erbschafts- und Vermögenssteuern sei, kam von ihr kein klares Ja. Vielmehr druckste die Parteichefin herum: "So kurz kann man das nicht beantworten", sagte Rendi-Wagner. Wichtiger sei es, darüber zu sprechen, wie die türkis-blaue Regierung angesichts des Wirtschaftswachstums die Bürger zu entlasten gedenke. Dass die SPÖ grundsätzlich für Erbschafts- und Vermögenssteuer ist, sei bekannt. Echte Überzeugung hört sich anders an.

Zwei Möglichkeiten sind denkbar. Entweder will Rendi-Wagner die SPÖ neu positionieren, und die Forderung der Partei nach der Erbschaftssteuer soll fallen. Wahrscheinlicher ist, dass die Forderung bleibt, das Thema jedoch wie schon unter SP-Chef Christian Kern im Hintergrund gehalten oder versteckt werden soll. Alles nach dem Motto: Die SPÖ soll nicht als Partei der Steuererhöher rüberkommen.

ÖVP, FPÖ und Neos sind gegen Erbschaftssteuern. Mit ihrer zurückhaltenden und ängstlich wirkenden Argumentation opfert Rendi-Wagner, opfert die SPÖ eines der wenigen verbliebenen Alleinstellungsmerkmale der Partei. Noch dazu geschieht das bei einem der wichtigsten Themen der Gegenwart, bei der Debatte über soziale Gerechtigkeit.

Komplexes Thema

Vermögenssteuern sind in der Tat ein komplexeres Thema, weil die Einhebung teuer wäre. In Zeiten des freien Kapitalverkehrs ist es schwierig, bewegliches Vermögen zu erfassen, betroffen wären daher so gut wie nur Immobilienbesitzer.

Für die Einführung einer Erbschaftssteuer gibt es dagegen nur gute Argumente. Im internationalen Vergleich gibt es kaum ein entwickeltes Land, das so wenig Geld aus vermögensbezogenen Steuern einhebt wie Österreich: Im Ranking liegt Österreich laut der Industriestaatenorganisation OECD auf Rang 33 von 37 Staaten. In Kanada, Großbritannien, Deutschland und den USA leisten Vermögende einen höheren Beitrag. Das sind alles keine Staaten, die sich dem Kommunismus zugewendet haben.

Dagegen kritisieren Ökonomen und internationale Organisationen unisono, dass Arbeit in Österreich zu hoch belastet ist. Von jedem Euro, den ein Unternehmer für Arbeit ausgibt, landen 47 Cent beim Staat. Die Lösung wäre die Einführung einer Erbschaftssteuer, deren Einnahmen 1:1 in die Entlastung von Arbeit gehen. Das wäre eine leistungsfreundliche Steuer, weil die Kosten für Unternehmen sinken würden. Geringverdiener hätten einen größeren Anreiz, sich einen Job zu suchen, weil ihnen netto mehr bliebe.

Bemerkenswert ist, dass sich am Tag von Rendi-Wagners Interview Erste-Group-Chef Andreas Treichl klar für Erbschaftssteuern aussprach. "Ich bin ein Vertreter der Leistungsgesellschaft, und Erben ist keine Leistung", sagte Treichl. Er gehört zu einer größer werdenden Gruppe von Managern und Unternehmern, die sich Sorgen um den sozialen Frieden in Österreich machen und daher für Erbschaftssteuern bei Privaten plädieren. Was der SP-Chefin schwerfällt, kann ein Banker klar artikulieren. Verkehrte Welt. (András Szigetvari, 2.10.2018)