Wien – Es wird nicht leiser um die vom Gesetzgeber geplante Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-Gesetz). Die Vorlage dazu machte nicht nur einen umstrittenen Umweg über das Ministerium – der STANDARD berichtete –, nun lässt auch die Einschätzung eines Verfassungs- und Verwaltungsjuristen aufhorchen: Laut einem Gutachten von Daniel Ennöckl von der Universität Wien, das vom Ökobüro in Auftrag gegeben wurde, widersprechen die Pläne der Regierung dem europäischen Datenschutzrecht.

Durch einen Abänderungsantrag, der in letzter Minute vor dem Umweltausschuss von den ÖVP- und FPÖ-Umweltsprechern eingebracht wurde, soll das Recht von Vereinen in Umweltverfahren massiv eingeschränkt werden: Umweltorganisationen mit weniger als hundert Mitgliedern werden künftig von Verfahren ausgeschlossen, die Vereine müssen außerdem Namen und Anschriften ihrer Mitglieder offenlegen.

Als verfassungswidrig zu qualifizieren

Die europäische Datenschutzgrundverordnung untersagt laut Ennöckl jedoch die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen politische Meinungen hervorgehen – dazu zählt die Zugehörigkeit zu Parteien, Vereinen oder Bürgerinitiativen. Die geplante Novelle sieht dem Gutachten zufolge auch keine "angemessenen Garantien" für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffen vor – und das, obwohl die politische Einstellung der betroffenen Personen verarbeitet werden soll.

Ausnahmen gibt es dabei nur aus Gründen eines "erheblichen öffentlichen Interesses", heißt es in dem Gutachten. Als Beispiele nennt Ennöckl die Bekämpfung von Seuchen oder Hilfeleistung im Katastrophenfall. Diesen Anforderungen entspreche die Neuregelung "jedenfalls nicht". Daher verletze die Novelle das Grundrecht auf Datenschutz "in mehrfacher Hinsicht" und sei somit "als verfassungswidrig zu qualifizieren".

Zweites Gutachten bestätigt Ennöckl

Auch in einem zweiten Gutachten, das vom Ökobüro selbst erstellt wurde, fällt das Resümee nicht besser aus. In dem Schreiben, das dem STANDARD vorliegt, heißt es, dass die Mitgliederbeschränkung bei Umweltschutzorganisationen gegen Europa- und Völkerrecht verstoße: "Der Europäische Gerichtshof hat schon 2009 in einem schwedischen Verfahren eine Mindestmitgliederzahl von Umweltschutzorganisationen ausgeschlossen, wenn diese den Zielen der europäischen UVP-Richtlinie zuwiderläuft", sagt Ökobüro-Umweltjurist Gregor Schamschula.

Durch die geplante Regelung würde auch die Aarhus-Konvention, die Bürgern ein Mitspracherecht in Umweltbelangen einräumt, verletzt werden.

Kritik von Umweltorganisationen

Die Kritik der Umweltorganisation den den Regierungsplänen ebbte auch am Dienstag nicht ab: "Der UVP-Angriff der Bundesregierung führt zu einem Datenschutzfiasko der Sonderklasse", hieß es aus dem WWF-Büro. Die eingebrachte Novelle sei demokratiefeindlich. Die Umweltorganisation Global 2000 nennt die Offenlegung der Mitgliederdaten einen "Einschüchterungsversuch", Greeenpeace vergleicht die Praktiken mit Ländern wie Russland und Ungarn. (lauf, 16.10.2018)