Am 8. September herrschte im Schlosshof von Aschau bei Rosenheim eine Mischung aus Volksfest und Rallye-Hysterie. Mazda hatte zur 5000-km-Challenge-Rallye quer durch Europa gerufen, 170 Teilnehmer aus vielen europäischen Ländern mit teilweise kuriosen Fahrzeugen warteten auf das Startzeichen. Die Aufgabe schien einfach, keine Sonderprüfungen, keine Zeitnahme, freie Streckenwahl, Treffpunkt im jeweiligen Etappenziel. Andererseits: So eine Strecke in zwölf Tagen zu absolvieren, das stellte für das nicht ganz taufrische Fahrzeugmaterial eine echte Herausforderung dar, da wollte auch Mazda beweisen, dass dies Youngtimer aus dem eigenen Haus schaffen können.

Renngeschichte, Renngeschichten: Peter Urbanek vor dem Mazda 929 Coupé, mit dem er bei der "Mazda European 5000 Adventure Rallye" die schönsten Alpenpässe bezwang.
Foto: Mazda

In einer Ecke des Startplatzes standen die Kandidaten der japanischen Marke: Mazda MX 5, das berühmte Wankel-Coupé RX7, Mazda 929 als Coupé und Kombi sowie Modell 818 aus 1977 in der Kombiversion. Diese Seniorenfamilie sollte die lange Strecke absolvieren, teilweise sogar als Akteure der Fernsehserie Mazda Garage. der Standard zog ein gutes Los, das einstige Marken-Flaggschiff – Coupé 929 – wurde zum Quartier für die Reise über jene 1700 Kilometer Alpenpässe, die wir von den 5000 befuhren.

Leichtes Misstrauen beschlich unsereinen. Schafft der 33 Jahre alte Pseudosportwagen die unzähligen Kehren und steilen Abfahrten ohne die Hilfe des begleitenden Serviceteams? Keine Airbags, keine Klimaanlage, ESP war noch gar nicht erfunden, mickrige Anschnallgurten, Leuchtkraft der Klapp- Scheinwerfer in Friedhofseinstellung, Hinterradantrieb, funktionsloser Tempomat, immerhin elektrische Fensterheber, elektrisch verstellbare Außenspiegel, 5-Gang-Getriebe und stramme 101 PS aus zwei Litern Hubraum – das versprach etwas Unterhaltung. Zu seiner Zeit kostete dieser Mazda 23.550 DM, das entsprach rund 162.750 Schilling, der Oldtimerwert liegt gegenwärtig bei rund 4000 bis 6000 Euro.

Die Klappscheinwerfer und das Auto drumherum haben einen Wert von rund 6000 Euro.
Foto: Mazda

Alle etwaigen negativen Vorahnungen lösten sich auf dieser Tour in Höhenluft auf, der 2+2-Sitzer mit schicken Velourspolstern und bequemen Vordersitzen sollte zum Star der Oldtimergruppe mutieren.

Erste Prüfung: Timmelsjoch im Ötztal mit fast 2200 Höhenmetern. Hier "verhungerten" einst bei den Bergrennen die Motoren in der dünnen Bergluft. Geradeaus führte die Strecke nach Italien, rechts abzweigen wäre Richtung Außerferner Gletscher zum Startplatz des Ski-Weltcups. Abfahrt Richtung Meran. Die nur 1140 kg Leergewicht des Mazda 929 wurden zum Ass, spät bremsen? Kein Problem. Wohingegen das Führungsfahrzeug, ein Mazda CX-5 mit seinem 1,8 Tonnen Eigengewicht, fast zur rollenden Schikane zu werden schien, Zitat Niki Lauda. Dann ging es rasant durch das Passeier-Tal, im Pulk mit modernen Automobilen, Transparente mit Aufschriften "Südtirol ist nicht Italien" oder "Freiheit für Südtirol", eingerahmt von Tiroler Fahnen, grüßten, da hätte der Sandwirt Andreas Hofer seine Freude gehabt.

Sportlerlegenden

Nächste Bergprüfung: Stilfser Joch, 2700 m hoch, am Beginn der unzähligen Kehren Durchfahrt durch Trafoi, die Heimatgemeinde von Slalomkönig Gustav Thöni. Die Bergauffahrt verlangt wegen geringen Drehmoments schlaue Techniken, viel Schwung im zweiten Gang. Hier quälten sich vor Jahrzehnten Italiens Radkönige Fausto Coppi und Gino Bartali um die Wette. Etappenziel Bormio, Austragungsort der Ski-WM 1985 und 2005, Superbenzinpreis 1,80 Euro pro Liter, eine Mischung aus Höhen- und Tourismus-Nepp. Es folgt der St.-Bernhards-Pass, Motorradparadies mit wüsten Kurvenschneidern, dazwischen unterwegs: Selbstmörder auf Fahrrädern bei 80-km/h-Abfahrten. Napoleon ging es im Mai 1800 bei seiner Überquerung ruhiger an, ein Maultier trabte mit dem Korsen auf den Berg.

Mit keuchendem Motoratmen ging es auf den Splügenpass in der Schweiz.
Foto: Mazda

In der Poebene gönnt sich der mutige 929 flotte 130 km/h, die Bergauffahrt nach Sestriere diente als automatische Bremse. Das Wahrzeichen, das rosa Rundhotel, benötigt dringend eine Renovierung. Dann ein Sprung nach Frankreich, Cold'Izoard, Col de Vars, Col de la Cayolle, Col Saint Martin. Weit und breit kein Schnee. Irgendwo hier zog Hannibal 218 v. Chr. mit seinen Elefanten über die Berge. Auf jeder Hütte findet sich aber der Devotionalienschrank für die Helden der Tour de France, die alljährlich all diese Pässe in einen riesigen Campingplatz verwandelt.

Röhrl und Aaltonen

Der standhafte Mazda 929 atmete schon "La brise de mer", vorher galt es aber noch den Col de Turini zu bezwingen. Rund 1600 m hoch, hier spielten sich die Dramen der Monte-Carlo-Rallye ab. Im Jänner der goldenen Rallytage lag dort Eis und Schnee, zehntausende Fans jubelten, wenn in der berüchtigten "Nacht der langen Messer" Walter Röhrl oder Rauno Aaltonen ihre Fahrzeuge auf der Eisbahn um die Kurven warfen. Die Fahrt der kleinen Mazda Karawane dagegen ging wenig spektakulär in Saint-Raphael zu Ende. Aber was für eine Tour! (Peter Urbanek, 26.10.2018)