Die meisten Lehrlinge hatten viel zu sagen zu politischen Fragestellungen. Auch an Parteien und Wahlkampfveranstaltungen gab es viel Interesse.

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Die politischen Debatten in Österreich haben sich in den vergangenen Monaten immer wieder um Lehrlinge gedreht, wobei der Tenor selten positiv war. Die Wirtschaftskammer kritisiert, dass junge Menschen zunehmend nach höheren Bildungsabschlüssen streben und daher dem Land qualifizierte Lehrlinge abhandenkommen.

Nach der Nationalratswahl wurde thematisiert, dass so viele Menschen, die eine Lehre absolviert haben, FPÖ wählten: Unter ehemaligen Berufsschülern kamen die Blauen auf 37 Prozent.

Im vergangenen Jahr sorgte eine Studie über autoritäre Tendenzen unter Berufsschülern für Aufsehen. Das Zentrum für politische Bildung an der Pädagogischen Hochschule Wien (PH Wien) hatte eine Befragung unter 700 Wiener Lehrlingen durchgeführt. Zwar bekannten sich drei Viertel der Befragten grundsätzlich zur Demokratie als Regierungsform. Aber 47 Prozent wünschen sich "eine starke Persönlichkeit an der Staatsspitze, die sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss".

Unter Schülern, die angaben, dass bei ihnen zu Hause Arabisch, Bosnisch, Türkisch oder Albanisch gesprochen wird, stimmte außerdem fast die Hälfte der Aussage zu, dass "Juden in Österreich zu viel Einfluss haben". Wenn zu Hause Deutsch gesprochen wird, waren es 24 Prozent.

Probleme der Demokratie

Doch wie sehen Lehrlinge Politik und Demokratie in Österreich? Statt nur über sie zu sprechen, sollten Berufsschüler einmal zu Wort kommen: Mit diesem Leitgedanken und anlässlich der Republiksgründung vor 100 Jahren hat das erwähnte Zentrum für politische Bildung rund 100 Berufsschüler zu einer Diskussion mit bekannten Persönlichkeiten geladen. Neben Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste, und Eva Meran vom Haus der Geschichte beteiligte sich etwa die stellvertretende Chefredakteurin des STANDARD, Petra Stuiber, an der Debatte.

Debatte auf Augenhöhe: Die Rektorin der Akademie der bildenden Künste, Eva Blimlinger.
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Zuerst diskutierten die Berufsschüler in Workshops, welche Probleme und Herausforderungen sie in der Demokratie sehen – und welche Lösungsvorschläge sie hätten. Dabei kamen am Anfang in mehreren Gruppen Zweifel auf: Wissen wir selbst überhaupt genug, um mitbestimmen zu können? Öfter wurde die Forderung nach besserer Ausbildung, nach mehr politischer Information laut.

Dort, wo dann kurze Zeit später aber über Sachfragen diskutiert wurde, war zu jenen Themen, die die Berufsschüler bewegten, dann erstaunlich viel Fachwissen vorhanden. In einer der Gruppen stellte etwa ein Berufsschüler klar, dass ihn die Neuregelung des Zwölfstundentages noch gar nicht tangiere, weil die Regelungen nur über 18-Jährige betreffen.

Jede Menge Fachwissen

Später erklärte ein Lehrling, dass gerade in der Gastronomie nicht so sehr der Zwölfstundentag das Problem sei – längere Dienste kommen hier oft vor –, sondern eine Verkürzung der Ruhezeiten. Für Tourismusbetriebe wurde die minimale tägliche Ruhezeit von elf auf acht Stunden verkürzt.

Diskutiert wurde auch über das von Türkis-Blau aufgeweichte Rauchverbot in der Gastronomie. Wobei Sympathien für die Regierungslinie bekundet wurden: So äußerten Berufsschüler Unverständnis darüber, weshalb man Lokalen überhaupt vorschreiben sollte, was sie zu tun hätten. Viel gesprochen wurde in den Workshops, an denen auch Christoph Klein, Direktor der Arbeiterkammer Wien, und Peter Zeitler von der Wirtschaftskammer teilnahmen, über die Frage, wer in Österreich mitbestimmen und wer nichts zu sagen haben soll.

Unter Wiener Lehrlingen ist der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund sehr hoch. Einer der Schüler warf ein, dass seine türkischen Freunde auch schon mal "Erdoğan" auf den Wahlzettel geschrieben hatten. Auch das sorgte für Debatten.

Danke für die Chance

Eine Polin nahm so Stellung: "Ich bedanke mich für die Chancen, die ich in Österreich bekommen habe." Sie absolviere eine Ausbildung, habe selbst nie Diskriminierung erlebt, aber: Sie sei politisch interessiert und würde auch bei Nationalratswahlen gern mitstimmen können.

Die Lehrlinge engagierten sich mehr oder weniger eifrig, nicht alle zeigten sich interessiert. Viele waren von der Möglichkeit, sich einzubringen, aber angetan. Maximilian, ein Gastrolehrling, sagt: "Es tut gut, wenn man seine Meinung sagen kann. In meinem Betrieb werde ich oft gefragt, was ich denke. Dabei geht es allerdings meist nicht um Politik." (András Szigetvari, 24.10.2018)