Die Models stecken in weiten Hoodies, Cargohosen, Funktionsjacken. Auf den Kleidungsstücken prangt der Schriftzug "Dead White Men's Clothes", kurz DWMC. Auf den ersten Blick sieht die Mode, die im Shop der Website von "Dead White Men's Clothes" angeboten wird, wie die eines jener hippen Streetwear-Labels aus, die sich dem Normcore-Trend verschrieben haben.

Das Label hat einen modisch aufgeräumten Instagram-Account, hinter der Website "www.deadwhitemensclothes.com" verbirgt sich ein funktionierender Onlineshop. Die Preise kommen denen des Hype-Labels Vetements nahe: Zwischen 100 und 150 Euro kosten die T-Shirts, 200 Euro eine Hose, 540 Euro ein Herren-Blazer, 850 ein Trenchcoat, 1150 eine leuchtend orangefarbene "Royal Mail"-Jacke.

Doch der schöne Schein trügt. "Dead White Men's Clothes" ist kein normales Modelabel, sondern ein elegantes Täuschungsmanöver. Mit seinem Projekt thematisiert der Kunststudent Jojo Gronostay die Absurdität des globalisierten Textilkreislaufs.

Mode von "Dead White Men's Clothes"
Fotos: Moritz Grub; Produktion Amsterdam Berlin GmbH; Styling Christian Stemmler; Schmuck Malaika Raiss; Casting Kyra Sophie Wilhelmseder

Die Kleidungsstücke? Wurden weder neu designt noch neu produziert. Gronostay hat sie auf dem Kantamanto-Markt in der ghanaischen Hauptstadt Accra eingekauft. Der ist heute ein gigantischer Umschlagplatz für gespendete Kleidung. Auf ihm gibt es alles, was in Europa zum Überfluss erklärt wurde, noch dazu Fake-Ware aus China, falsche Gucci-Schlapfen und Louis-Vuitton-Handtaschen.

Altkleiderschwemme

In Ghana wird die Kleidung aus Europa seit den 1970er-Jahren als "Dead White Men's Clothes", als Kleidung toter weißer Menschen, bezeichnet. Der Name erzählt viel über postkoloniale Verstrickungen und die verrückten Verwertungsmechanismen einer globalisierten Textilindustrie.

In den 1970er-Jahren, als die erste Welle an Altkleidersammlungen aus Europa in Ghana landete, war man sich in dem afrikanischen Land sicher: Diese Kleidung kann nur von Verstorbenen stammen. Seither wurde die Altkleiderschwemme durch europäische Anbieter vielfach kritisiert. Sie hat der lokalen Textilindustrie in vielen afrikanischen Ländern nachhaltig geschadet.

Jojo Gronostay rückt dem Thema ohne moralisierende Kommentierung zu Leibe. 118 Einzelstücke umfasst die aktuelle Kollektion, rund zehn Prozent wurden bislang verkauft, der Gewinn wird gespendet. Dass der Webshop von "Dead White Men's Clothes" aussieht wie der eines High-Fashion-Unternehmens? Ist Gronostays Projektpartner Moritz Grub von der Agentur Amsterdam Berlin zu verdanken. Er kümmert sich seit Februar dieses Jahres um die Kommunikation, die Shootings, die modisch-glatte Aufbereitung des Kunstprojekts.

Die Kleidungsstücke jedenfalls wurden marktkonform aufbereitet, allein damit seien zwei seiner Mitarbeiter vier Monate lang beschäftigt gewesen, erklärt Grub: Ihre Reinigung hat 900 Euro gekostet, auf die Knöpfe wurde der Markenschriftzug gelasert.

Dass Gronostay und Grub die nun hippe Mode um das x-Fache des Einkaufspreises anbieten und sie während der Fashion Week Paris in einem Showroom präsentieren? Kann als zynischer Kommentar zu den Mechanismen einer Modeindustrie gelesen werden, die nicht mehr weiß, wie dem Überfluss zu Leibe zu rücken ist.

Gekauft würden die Stücke von "Leuten, die die Idee gut finden, weniger von hippen Kids", meint Grub. Ein Teil wurde schon für die Modesammlung eines Museums reserviert. (Anne Feldkamp, 4.11.2021)

Dieser Artikel ist am 2.11.2018 im RONDO erschienen.