Wien – Es ist ein Bild der See, rau und unbehaglich, auf das die Staatsopernbesucher in der neuen Saison blicken werden. Für den 91-jährigen Künstler Pierre Alechinsky, der auf Einladung von Museum in Progress heuer den Eisernen Vorhang bespielt, ist es eine Erinnerung an den Atlantikwall, also an jenen 2700 Kilometer langen "Gürtel von Bollwerken", den Hitler für die Atlantikküste errichten ließ.

Zum 21. Mal wird die 176 Quadratmeter große Fläche des Eisernen Vorhangs in der Wiener Staatsoper mit einem Kunstwerk bespielt.
Foto: Museum in Progress, mip.at/Staatsoper

"Das Meer bedeutete, denjenigen zu erwarten, der vom Meer kommt." Erklärungen, die vor dem Wissen, dass Alechinskys Familie jüdisch-russische Vorfahren hatte, still werden lassen – und nachdenklich.

Einst zentrale Persönlichkeit der legendären Künstlergruppe Cobra, schuf der 1927 in Brüssel geborene Alechinsky ein Œuvre, geprägt von abstraktem Expressionismus, Surrealismus und östlicher Kalligrafie. Insbesondere der japanische Einfluss zeigt sich in seiner schwarz-weißen Zeichnung "Loin d’ici" ("Fern von hier") für Wien. Man könnte die reduzierte, vieles offen lassende Komposition als Auftrag an die Besucher des Hauses am Ring verstehen: "Zeichnen heißt hinterfragen", sagte Pierre Alechinsky einmal. (Anne Katrin Feßler, 2. 11. 2018)