Die knappen Begutachtungsfristen sind keine türkis-blaue Neuerung.

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Das Parlament ist in Österreich zwar der Gesetzgeber – ihren Ursprung nehmen die meisten Gesetze aber in den Ministerien (so wie in praktisch allen parlamentarischen Demokratien). In der vergangenen Gesetzgebungsperiode gingen immerhin 60 Prozent aller Gesetzesbeschlüsse auf diese sogenannten Regierungsvorlagen zurück.

Bevor Regierungsvorlagen aber per Ministerratsbeschluss offiziell im Nationalrat eingebracht werden, durchlaufen sie einen öffentlichen Begutachtungsprozess. Der Erstentwurf aus dem zuständigen Ministerium wird auf der Parlamentshomepage veröffentlicht. Jede Institution oder Privatperson kann dann dazu eine – ebenso öffentliche – Stellungnahme abgeben. Die meisten Stellungnahmen kommen in der Regel von anderen Ministerien, Landesregierungen, Interessenvertretungen und NGOs.

Jüngst wurde ein Ministerialentwurf aus dem Finanzministerium dafür gerügt, dass nur vier Werktage zur Begutachtung angesetzt wurden. Sogar das (ebenso ÖVP-geführte) Justizministerium kritisierte diese extrem kurze Frist scharf und wies darauf hin, dass im Allgemeinen eine Frist von sechs Wochen angemessen sei (siehe etwa dieses Schreiben des Bundeskanzleramtes).

Wie die Grafik unten zeigt, sind die Ministerien beim Setzen der Begutachtungsfristen aber selten so großzügig. Was die Ministerialentwürfe der laufenden Gesetzgebungsperiode betrifft, wurden die vollen sechs Wochen bisher nur in 16 Prozent der Fälle gewährt. In einem Drittel der Fälle beträgt die Frist gar weniger als drei Wochen.

Derart knappe Fristen sind aber keine türkis-blaue Neuerung. Unter Rot-Schwarz in der Gesetzgebungsperiode zwischen 2013 und 2017 wurden in nur 18 Prozent der Fälle die sechs Wochen gewährt, während für ein Viertel der Entwürfe weniger als drei Wochen zur Verfügung standen. Die Mediandauer der Begutachtungsverfahren betrug unter Rot-Schwarz wie unter Türkis-Blau 28 Tage, also exakt vier Wochen.

Diese Daten zeigen einen Widerspruch auf: Was im Sinne eines qualitativ hochwertigen Gesetzgebungsprozesses zu begrüßen wäre, ist oft politisch ganz und gar nicht gewünscht. Lange Begutachtungsfristen ermöglichen ausführliche und detaillierte Kritik. Je mehr Zeit zur Verfügung steht, desto eher können Probleme identifiziert und artikuliert werden. Gleichzeitig riskiert man so aber, dass der politische Widerstand gegen ein Gesetzesvorhaben an Fahrt gewinnt – besonders, wenn sich über einen längeren Zeitraum kritische Stellungnahmen aus den eigenen Reihen mehren.

Eine simple Lösung für dieses Problem gibt es nicht. Natürlich könnte man per Gesetz eine Mindestfrist für die Begutachtung festlegen, so man eine Mehrheit dafür organisieren kann. Allerdings bliebe selbst dann den Regierungsfraktionen immer noch die Möglichkeit, die Begutachtung mit Initiativanträgen komplett zu umgehen.