Stromausfälle gehen ins Geld. Mathematische Modelle helfen, Risikoprofile zu erstellen, um rechtzeitig eingreifen zu können.

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Nicht nur im Arbeitsmarktservice, auch in der Stromwirtschaft halten neuerdings Algorithmen Einzug – als Entscheidungshilfen beispielsweise, wann wo welcher Strommast zu tauschen ist, bevor er einknickt. "Wir wissen mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit was passiert, bevor etwas passiert", sagte Franz Winterauer, Vice President Analytics der Omnetric Group, dem STANDARD.

Omnetric ist vor fünf Jahren gegründet worden, um Lösungen zu entwickeln, die Energieversorgern einen effizienteren Betrieb und höhere Versorgungssicherheit ermöglichen. Aus dem anfänglichen Joint Venture zwischen Siemens und Accenture ist inzwischen eine 100-prozentige Siemens-Tochter geworden. Das Datenexpertenteam um Winterauer versteht sich als "Innovationsinkubator".

"Sachen mit Kunden ausprobieren und wenn diese zu interessanten Erkenntnissen führen, weiterentwickeln; andernfalls bleibt es beim Forschungsprojekt", sagt Winterauer. Sitz von Omnetric ist München, Wien ist eine der größten Niederlassungen der Gruppe, wo etwa 40 der rund 200 Mitarbeiter beschäftigt sind.

Über mathematische Modelle lasse sich auch abschätzen, in welchen Fällen eine Freileitung besser durch ein Erdkabel ersetzt wird bzw. welches vergrabene Kabel mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Kurzschluss auslösen wird. Dann sollte präventiv etwas unternommen werden, damit es nicht zu einem Stromausfall kommt.

Forschungsprojekt

Dann stelle sich immer noch die Frage, ob ein Erdkabel in der ganzen Länge getauscht werden soll oder ob es reicht, nur das abgenützte Teil durch ein neues zu ersetzen. Auch das könne durch Eingabe von Daten und Korrelation mit Erfahrungswerten ziemlich genau bestimmt werden.

Dass das geht, hat Omnetric in einem Forschungsprojekt mit Kärnten Netz, der Verteilnetzgesellschaft von Österreichs südlichstem Bundesland, gezeigt, das vor zwei Jahren mit EU-Fördermitteln begonnen wurde. "Wir wollten die Einflussgrößen besser verstehen, die das Risiko des Ausfalls einer klassischen Freileitung wesentlich bestimmen", sagte Winterauer. Man habe gewusst, dass das Holz der Leitungsmasten eine Einflussgröße ist, ob der Mast auf einem Betonsockel steht oder direkt im Erdreich vergraben ist. Auch Wetter, Niederschlag, Laub- oder Nadelwald spielen eine Rolle, weil unterschiedliche Sporen die Masten unterschiedlich angreifen und vieles mehr. All diese Daten seien extern verfügbar.

Wenn man diese Daten mit dem kombiniere, was die Verteilnetzbetreiber über ihre Assets wissen, etwa aus welchem Holz die Masten sind, wann der Mast aufgestellt wurde, welche Ausfälle es in den vergangenen zehn Jahren gab und welche Wartungsmaßnahmen gesetzt wurden, ließen sich wichtige Erkenntnisse ableiten. Winterauer: "Wir können durch Datenanalyse jedem Strommast ein Risikoprofil zuordnen." Zudem könnten Routenoptimierungen bei Wartungsarbeiten vorgenommen werden, um das Budget insgesamt im Rahmen zu halten.

Berechenbare Menschheit

"Menschen sind berechenbar, das zeigen Google und Facebook. Auch Anlagen und Leitungen sind berechenbar, das ist unser Geschäft", sagte Winterauer. Er ortet steigendes Interesse von Energieunternehmen und Netzbetreibern, mittels Datenanalyse Entscheidungshilfen zu bekommen, um in einer immer komplexer werdenden Energiewelt im Wettbewerb zu bestehen.

Zunehmend drängten auch reine IT-Unternehmen in diesen Markt. Winterauer fürchtet die Konkurrenz nicht: "Wir müssen uns die Daten nicht erst erklären lassen, das haben wir in der DNA." (Günther Strobl, 7.11.2018)