Selbstverständlich muss die Bevölkerung einen Streik spüren. Sonst nimmt ja keiner Notiz von ihm, und der Arbeitskampf verfehlt seine Wirkung. So gesehen machen es die Eisenbahner richtig. Sie fangen mit ihren Warnstreiks am Montag an, dem ersten Werktag der Woche, an dem besonders viele Menschen zum und vom Arbeitsplatz in der Bahn unterwegs sind.

Auf einem anderen Blatt steht, ob die gewerkschaftliche Kampfmaßnahme im Nachgang des Metallerabschlusses gerechtfertigt ist. Sie ist es nicht: Das steht fest. Denn anders als bei den Metallern liegt für die Bahnbediensteten ein Angebot für ein Lohnplus vor, das bei weitem nicht so schlecht ist, wie der ÖBB-Betriebsratschef behauptet. Denn die Bahngesellschaften haben die Mitarbeiterbezüge vor bald zwei Monaten freiwillig um drei Prozent erhöht. Da wäre allein durch Verhandlungen mehr drin gewesen.

Auch wenn die Produktivität bei einem Dienstleistungsbetrieb nicht ansatzweise so gut messbar ist wie bei einem Eisenerzeuger: Nach der bewährten Benya-Formel wird selbst in der Industrie nicht der Produktivitätsfortschritt der Branche angelegt, sondern der gesamtwirtschaftliche – und da nur der halbe. Die zweite Hälfte gehört den Unternehmern in Form ihrer Gewinne.

Nach diesem Schlüssel wären auch die Bediensteten der meist staatlich finanzierten Landes- und Lokalbahnen samt ÖBB gut bedient. Vollgepumpt mit Milliarden für Pendlerzüge, Erhaltung und Betrieb des Bahnnetzes erwirtschaften sie keine echten Gewinne. "Privat" sind nur die Westbahn und zwei Dutzend Güterbahnen. Ja, die Eisenbahner können stolz sein, Österreich zum Bahnland Nummer eins gemacht zu haben. Gezahlt haben dafür die Steuerzahler und Bahnkunden, allen voran die Pendler. Sie bekommen jetzt ein zweites Mal die Rechnung dafür präsentiert. (Luise Ungerboeck, 23.11.2018)