Hooligans attackierten nach dem Spiel Polizeiautos.

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Wien/Buenos Aires – Dass Argentiniens Fußball von Fangewalt geprägt ist, wurde durch die Vorfälle um das Finale der Copa Libertadores erneut überdeutlich. Das Match zwischen den Boca Juniors und River Plate hatte am Samstag wegen Angriffen auf den Boca-Bus abgesagt werden müssen.

Wenige Tage davor gesellte sich zu den üblichen Ausschreitungen auch Antisemitismus, wie die "Times of Israel" berichtet. Während eines Spiels der dritten Liga (Primera B Metropolitana) gegen Atlético Atlanta skandierten Anhänger des Klubs Atlético All Boys aus Buenos Aires: "Tötet Juden und macht Seife!" Auch palästinensische Fahnen und T-Shirts mit iranischen Symbolen wurden geschwenkt. Atlanta hat Verbindungen zur jüdischen Gemeinschaft in Villa Crespo, einem Stadtteil der argentinischen Hauptstadt, welcher früher als jüdisches Viertel galt. Immer noch gibt es dort mehrere Synagogen und hebräische Schulen.

Nachdem die All Boys ihr Heimspiel 2:3 verloren hatten, gingen die Hooligans zu Sachbeschädigung über und lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei. Zuschauer flüchteten vor der Gewalt in den Kabinenbereich des Estadio Islas Malvinas, bis sie von Beamten sicher aus dem Gebäude geleiten konnte.

"Der argentinische Fußballverband muss den Klub für dieses antisemitische Vergehen bestrafen", forderte Shimon Samuels, Leiter für internationale Beziehungen beim Simon Wiesenthal Center.

Freude bei den Atlanta-Spielern über den Sieg beim Lokalrivalen.

Pioniere des Professionalismus

Atlético Atlanta wurde vor 114 Jahren, im Oktober 1904 gegründet. Bereits damals waren bekannte jüdische Argentinier als Funktionäre und Spieler im Verein engagiert. 1931 waren die Blau-Gelben Gründungsmitglied der ersten professionellen Liga Argentiniens. Von 1931 bis 1985 war der Verein dann in 45 Saisonen in der höchsten Spielklasse des Landes vertreten. Seither muss man sich zumeist mit einem Platz in der Primera B begnügen, in der Atlanta nach 16 Spieltagen aktuell auf Rang drei liegt. Auch hier wird unter Profibedingungen gespielt.

Da der Verein in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens über kein eigenes Stadion verfügte, etablierte sich in dieser Zeit der Wanderschaft der Spitzname "Los Bohemios". Es dürfte sich hierbei um einen Verweis auf Bohemians Prag handeln, schließlich waren die Tschechen aufgrund ihrer legendären Australien-Tour im Jahr 1927 weltberühmt geworden.

Seit 1960 ist Atlanta jedoch im Stadion Don León Kolbovsky beheimatet, benannt nach dem damaligen Präsidenten des Klubs. Lange war es in Anlehnung an River Plates Estadio Monumental als das "hölzerne Monumental" bekannt. Ab 2005 wurden die alten, jedweden Sicherheitsstandards spottenden Holztribünen schließlich durch moderne Strukturen ersetzt.

Die Bohemiens und der Schwedencup

Seinen größten Erfolg verbuchte Atlanta im Jahr 1960, als die sogenannte Copa Suecia gewonnten wurde. Der schwedische Pokal war ein einmalig ausgetragener Cup-Bewerb für Erstligisten, der die Unterbrechung der Meisterschaft während der Weltmeisterschaft in Schweden 1958 kompensieren sollte. Der Bewerb, dessen Pokal von der schwedischen Botschaft in Buenos Aires gestiftet worden war, zog sich jedoch schließlich über zwei Jahre hin. Im Finale bezwang Atlanta den Racing Club Avellaneda mit 3:1 und wird seither von Argentiniens Fußballverband neben dem regulären Champion River Plate als zusätzlicher Meister 1958 geführt. (Michael Robausch, 25.11. 2018)