Sind es nicht immer die Überraschungen, die das Leben spannend, abenteuerlich halten? In meinem konkreten Fall war es Leserin Sandra Justin, in ihrem der Mercedes-Benz G 500. Mit dem begeben wir uns gleich ins Geschehen, ins ÖAMTC-Offroad-Zentrum Stotzing. Sonntag ist's, wochenlang herrschte Kaiserwetter, nur jetzt zieht's zusammen, will es sich einregnen. Na super. Aber Glück gehabt, es klart dann bald wieder auf.

Rechts Leserin Sandra Justin, links Offroad-Experte Christian Karlberger, drumherum der Mercedes G 500.
Foto: Guido Gluschitsch

Chefinstruktor und Ex-Offroad-Staatsmeister Christian Karlberger hat sich extra die Zeit genommen für diese nicht ganz alltägliche Geschichte, er hat aber auch ein spezielles Interesse – am G, nicht an S -, davon gleich etwas mehr. Weiters treten auf: Guido Gluschitsch, der, wieder einmal unter vollem Körpereinsatz, diese fantastischen Fotos gemacht hat, sowie seine geschätzte Frau Gemahlin Gabriele, im Jeep Cherokee das Geschehen aus sicherem Abstand verfolgend.

Heimliche Verfolgerin: Frau glu im alten Cherokee.
Foto: Guido Gluschitsch

Auf dem Idiotenhügel mag Karlberger Sandra gleich gar nicht erst spielen lassen. "Siehst du das da links? Das ist für die SUVs. Da fahren wir vorbei." Weil: "Wir sitzen schließlich im besten Geländewagen der Welt." Schwingt da nicht nur Anerkennung, sondern auch ein Anflug von Stolz mit? Richtig gehört, und das liegt daran, dass beim neuen G auch einige Entwicklungsumfänge in Stotzing geleistet wurden. Karlberger musste seinerzeit quasi ein Trappistengelübde ablegen – ich sage nix! -, jetzt sitzt auch er erstmals im Serienauto und wird uns nachher noch zeigen, wir einmal drinsitzend, einmal von außen zusehend, wie der Vollprofi (Karlberger) den Vollprofi (G 500) bewegt. Tempomäßig, bei Verschränkungsdemonstrationen und überhaupt.

Da spielen die Achsen Verstecken, beim verschränkten Kraxeln.
Foto: Guido Gluschitsch

Nach der Basisregel ("Im Gelände gibt es einen Grundsatz: So langsam wie möglich, so schnell wie nötig") erklärt er Sandra, dass man am Volant immer noch die Daumen oben auf den Kranz legt, weil bei früheren Geländewagen das Lenkrad gern zurückschnalzte und man sich dabei die Daumen übel verletzen konnte. "Auch greifen wir beim Lenken nicht in den Kranz." Das ist aber auch schon die einzige fahrtechnische Ungereimtheit, die er bemäkeln wird während der ganzen Ausfahrt.

Daumen hoch ist die Devise beim Geländefahren.
Foto: Guido Gluschitsch

Eingangs, da hat er bereits erklärt, dass man im Fahrbetrieb die 9-Gang-Automatik auf Untersetzung umschalten kann, bis 45 km/h, praktische Sache, wenn die Dinge einmal im Laufen sind. Worauf man im Gelände auch achten solle: Spitze Steine seitlich, die einem die Pneus aufschlitzen könnten. Jetzt stehen wir steil bergauf im Hang, die Spur hat ein paar gemein tiefe Löcher, und Karlberger erläutert, dass man sogar die Sperren im laufenden Betrieb einlegen kann. Probieren wir einmal das Mitteldiff. Nein, damit ist kein Raufkommen. Wieder runter, nächste Sperre rein. Drei mechanische insgesamt sind verfügbar, wir werden sie alle brauchen, dann aber kraxelt der G rauf, als wäre nichts.

Foto: Guido Gluschitsch

Es ist nicht so häufig, dass man auf Menschen trifft, die den Eindruck vermitteln: Da ist jemand grundsätzlich dem Automobil affin, vermag es, dieses adäquat fortzubewegen. Hier jedoch: sogleich. Vom ersten Kickdown auf sonntäglich unbefahrener Landstraße – na ja, was soll man schon sagen, der Biturbo-V8 mit 422 gesattelten Pferden taucht an, dass es selbst Sandra, die ihre Mimik sonst gut im Griff hat, vielleicht lernt man das als Juristin, die Mundwinkel hochzieht – bis hier im Gelände. Wo wiederum Karlberger anerkennend festhält, das widerfahre ihm nicht so oft. "Du hast Vertrauen in dich, bist nicht nervös geworden. Machst das mit so einer Ruhe, das kommt selten vor." "Na ja, weil ich Vertrauen in das Auto hab", rückt sie die Dinge richtig, es schlägt gleich der Gerechtigkeitssinn ihres Berufsbildes durch. Und ja, "ich fühle mich wohl in diesem Auto".

Vertrauen ist gut, G ist besser.
Foto: Guido Gluschitsch

Nächste Übung: runterrollen retour. Weg von der Bremse, die Motorbremse erledigt das. Dann extreme Schrägneigung. Die Wattiefe können wir nicht ausprobieren, das Land ist noch dürr von langen, güldenen Sommermonaten. Aber bei fast allen Kennzahlen hat sich der G noch einmal verbessert: 27 cm Bodenfreiheit (plus 6 mm), 70 cm Wattiefe (zehn mehr als bisher), mögliche Schräglagen bis zu 35 Grad (plus sechs), 45 bei der Steigfähigkeit. Doch was sind schon nüchterne Daten, das musst man gefahren sein, erlebt haben. "Du hast gesehen, welch beeindruckende Technik im G steckt." Der Vollständigkeit halber schickt er noch nach, die Physik dürfe man nie unterschätzen. "Dann heißt es in Sekundenbruchteilen entscheiden, was tun." Das Speibsackerl? Wir taten gut daran, es daheim zu lassen. Danke noch einmal, Christian Karlberger, und schönen Sonntag noch!

Christian Karlberger führt den G äußerln, der dann auch gleich das Haxl hebt.
Foto: Guido Gluschitsch

Nun wollen Sie vielleicht wissen, wie es zu dieser Ausfahrt kam. Ganz einfach. Im Zuge der Berichterstattung zum neuen G hatte sich Frau Justin gemeldet, diesbezüglich tendenziell maskulinen Erzählstil inkriminiert (schuldig im Sinne der Anklage) und sich als G-Fan erster Stunde geoutet: In den frühen Nullerjahren hatte sie einmal Gelegenheit, einen nackerten G zu fahren, so einen, wie ich selbst ihn vom Heer her kenne. Und wer einmal den G-Infekt in sich trägt, kriegt den sein – Pardon: ihr – Leben lang nicht mehr los. Ähnlich wie bei Porsche. Jedenfalls kündigte ich ihr einen Anschlagsversuch an, ob sie vielleicht Lust habe, sich mit dem G ins schwere Gelände zu wagen, wenn wir den Testwagen reinbekämen. "Klingt nach Abenteuer, da wär ich natürlich gern dabei", lautete die Antwort. Das abenteuerliche Herz von Ernst Jünger wäre die passende Buchempfehlung dazu.

Bei der Detailbesprechung außen ...
Foto: Guido Gluschitsch

Und da stehe ich also besagten sonntags Viertel vor zehn abholbereit vor der Wohnadresse, es zieht sich ein klein wenig, die beiden Knaben – Emil (3), Matthis (4) – wollen schließlich fertig justiert der Nanny mit auf den Weg gegeben werden, der Weg führt zum Musikverein. Schön, dass der klassische Kulturkanon noch weitergereicht wird an die nächste Generation. Nach einer Runde um den G und einem staunenden "Boah, ist der Kofferraum groß" ziehen die Jungs ab ins Reich der Harmonie und wir gen Burgenland, derweil Ehemann Johannes beim Golfturnier abschlägt.

Wo ein Wille ist, ist ein Weg, auch wenn der eigentlich grad im rechten Winkel zum Willen steht.
Foto: Guido Gluschitsch

Gefahren ist Sandra zahlreiche Gerätschaft, passionierte Autofahrerin halt. Auf langen Strecken, im Urlaub etwa, herrscht Arbeitsteilung am Volant. Nach dem ersten G-Kontakt wurde es ein Suzuki Vitara ("Für den G hat's nicht gereicht, aber ..."), erstes Langzeitauto war eine A-Klasse namens Hugo. Weil die Omama nach dem Motorschaden: "Das Auto ist für den ..." Derzeit und seit Jahren fährt sie Hugo II, einen X3 erster Generation. Dass der G Eindruck hinterlassen hat, zeigt auch Matthis' Frage unlängst: "Mama, fahrst heute wieder mit dem Riesenmercedes?" Und damit auch das klar ist: Der G ist kein Fall für Hugo. Noch nicht.

... und tschüß.
Foto: Guido Gluschitsch

Ach ja, und Guido hab ich den G dann doch noch umgehängt. Als Rache dafür, dass er mir zuvor den Suzuki Swift Sport im harten Nahkampf entwunden hatte. (Andreas Stockinger, 3.12.2018)