Wer ihm nachfolgt, werde keine "lonely wolf decision", verspricht Pete Kaiser.

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Klagenfurt/Wien – Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser wird am Dienstag 60 Jahre alt. Im APA-Interview anlässlich seines runden Geburtstags sprach der Politiker, der mit dem Wahlergebnis vom Frühjahr an der Absoluten kratzte und damit wohl am Zenit seiner Macht angekommen ist, über den Zustand der SPÖ, Angebote aus Wien und seine Ambitionen für die Zukunft.

In die Bundespolitik wollte Kaiser nie, wie er sagt. "Wobei es schon Überlegungen und Angebote gab – unter Alfred Gusenbauer und jetzt eigentlich einige Male." Aus persönlichen Gründen habe er es aber nicht gemacht. "Ich bin sehr mit Kärnten verbunden, mit seinen Leuten, aber auch mit den Annehmlichkeiten und der Qualität des Lebens."

"Ich kann nicht zornig sein"

Ein 60. Geburtstag ist natürlich eine Gelegenheit, Bilanz über eine politische Laufbahn zu ziehen und nach Fehlern und Errungenschaften zu fragen. Kaiser: "Ich habe einen prinzipiellen Fehler: Dass ich sehr offen bin in meinem Führungsstil ... Ich kann nicht zornig sein, weil mir einfach die Inhalte und das, was die Sozialdemokratie mit ihrer Geschichte ausmacht, zu viel bedeuten."

Er sei jemand, der prinzipiell vertraut. "Ich war einer derjenigen, die Christian Kern geraten haben, der ÖVP zu vertrauen und nicht nach dem Plan A die von vielen angeratenen Neuwahlen anzugehen." Vielleicht sei er also manchmal zu naiv-gutgläubig gewesen. Gelungen sei ihm, die Kärntner SPÖ 2010 zu sanieren, zu befrieden und neu aufzustellen. Und die guten Wahlergebnisse seit damals? "Im Jahr 2013 ist nicht die SPÖ hinaufgewählt, sondern die FPÖ abgewählt worden." Im heurigen Frühjahr sei er von den Wählern für den "Turnaround" im Land, auch vom wirtschaftlichen Aufschwung getragen, beinahe mit einer absoluten Mehrheit belohnt worden. Was er für den nächsten Wahlsieg tue? "Da bin ich sehr bieder: Arbeiten."

Gutgläubiger Kern

Dass Christian Kern in der Politik gescheitert ist, dafür sieht Kaiser drei Gründe: Eben dass Kern zu gutgläubig gewesen sei und der ÖVP vertraut habe, außerdem habe der rote Wahlkampf gezeigt, das Routine und Erfahrung fehlten. "Das Dritte, vermutlich der Hauptgrund, war: Bitteschön nicht mehr SPÖ-ÖVP." Sein Kriterienkatalog sei damals noch nicht von einem Parteitag beschlossenes Parteistatut gewesen. "Dann hätte man sich leichter getan. Dann wäre nicht die einzige Alternative zu Rot-Schwarz oder Schwarz-Rot Blau-Schwarz gewesen."

Angst sei heute eine politische Kategorie – vor Fremden und vor Wohlstandsverlust, findet Kaiser. Die neue Vorsitzende, Pamela Rendi-Wagner, sei im Vergleich zu Kern eine mehr von der "Emotio" vermittelbare Frau. "Sie hat Empathie, sie empfindet auch mehr und nachvollziehbarer." Sie vermittle Heimatgefühl, Sorge um andere und "personifizierte Menschlichkeit" abseits einer "Gutmenschenetikettierung".

Sexismus in SPÖ nicht weit verbreitet

Rendi-Wagner und eine als sexistisch kritisierte Aussage des neuen Tiroler SPÖ-Vorsitzenden Georg Dornauer machen die Frage nach dem Verhältnis von Frauen und Männern in der SPÖ wieder aktuell. Gibt es Sexismus in der SPÖ? "Nicht in dem Ausmaß, wie es vielleicht Einzelbeispiele, dieses Einzelbeispiel, erahnen lässt." Er selbst arbeite wahnsinnig gern mit Leuten zusammen, egal ob männlich oder weiblich, sagt Kaiser. In seiner Kärntner SPÖ sei Gleichberechtigung aber "immer noch verbesserbar".

Man tue alles, was möglich sei, etwa bei der letzten Landtagswahl: "Reißverschluss, wo du nur hinschaust!" Trotzdem sitzen im Kärntner Landtag für die SPÖ doppelt so viele Männer wie Frauen. Dafür sei laut Kaiser die Wahlarithmetik verantwortlich. Werde das bei der nächsten Wahl berücksichtigt, sodass mehr Frauen Wahlkreislisten anführen? "Dann setzt du die innerparteiliche Demokratie aus."

Kritik an Reißverschlussprinzip

Das Reißverschlussprinzip wurde den Kärntnern auch bei der Listenerstellung für die EU-Wahl zum Problem. Für den zugesagten Platz sechs hätte man eigentlich eine Frau nominieren müssen, geworden ist es aber Landeshauptmann-Sohn Luca Kaiser, der dann auch nur Platz neun bekam. Kaiser: "Da hätte ich jedem Mann in Kärnten verbieten müssen zu kandidieren, weil Platz sechs eine Frau sein muss. Das ist eine tolle Demokratie!", so Kaiser nicht ohne Sarkasmus. "Da werden wir nicht mitspielen. Das wird jetzt geändert werden."

Aus Kaisers Sicht würde es reichen, wenn beispielsweise gleich viele Männer und Frauen wählbar wären. Warum sein Sohn eigentlich nicht versucht habe, über die Wiener SPÖ auf die EU-Liste zu kommen, wo er doch in der Hauptstadt studiere und arbeite? "Manche nennen es Heimatliebe. Vielleicht möchte man sich dort einsetzen, wo man sich zuhause fühlt." Sein Sohn habe auch den Hauptwohnsitz in Kärnten.

Authentisch sein

Die Politik habe ihn gelehrt, Grundsätze zu bewahren, nicht jeder Opportunität nachzulaufen, sagt Kaiser. "Wenn man in der Politik ist, dann soll man politisch authentisch sein." Auch wenn es "derzeit nicht besonders in" sei, verweigere er sich dem Neoliberalismus. Dieser habe – reduziert gesprochen – die Besitzstandswahrung des Einzelnen im Sinn. Alles was dem nicht entspreche, sei derzeit nicht besonders "in".

Trotzdem gelte: "Eine solidarische Leistungsgesellschaft qua Arbeit ist für mich das Prinzip unserer Arbeitsgesellschaft." Leistung sei aber nicht gleich Output. "Es bringt ja auch jeder Leistung, auch die, die die bedarfsorientierte Mindestsicherung beziehen, genauso. Es ist halt Familienleistung und in unserer Gesellschaft nicht als Lohnarbeit anerkannt. Aber es ist gesellschaftlich erforderliche Arbeit."

Schulden steigen weiter

Kärnten ist hoch verschuldet und die Schulden wachsen weiter. 2019 kosten allein die Zinsen schon 44 Millionen Euro. Wo bleibe die Generationengerechtigkeit, wenn trotz Hochkonjunktur – eigentlich eine Zeit für Schuldenabbau – ein Defizit von 84 Millionen Euro geplant ist? "Die einzig wirkliche Maßzahl ist unsere Verschuldungsrate gemessen am Bruttoregionalprodukt." Allein auf diese Relation komme es an, meint der Landeshauptmann. "Da liegen wir bei 16 Prozent der Leistungsfähigkeit – im Unterschied zum Bund, der bei 72, 73 Prozent ist."

Den Einwand, dass sich Landes- und Bundesschulden nicht relativieren, sondern addieren würden, lässt Kaiser nicht gelten. "Nein, die relativieren sich schon." Die Nettoneuverschuldung werde nur für Investitionen verwendet, "wir erhöhen nicht Ermessensausgaben, Prunk, Gloria oder Brot und Spiele". Die Opposition kritisiert, die Verwaltung würde aufgebläht. "Das habe ich ihnen schon fünfmal im Landtag erklärt, aber..." Der Stellenplan werde deutlich unterschritten. Im Land sparsamer zu wirtschaften, ohne Schaden anzurichten, gehe nicht? "Es ist das jetzt schon in manchen Bereichen kontraproduktiv oder läuft Gefahr, kontraproduktiv zu werden."

Nach dem Landeshauptmann Reisereferent

Die Frage, was er in seiner Karriere noch erreichen möchte, beantwortet Kaiser mit einem Augenzwinkern. Die Ambitionen seien "ganz klar": "Die Position des Landeshauptmanns ist eine wichtige, mir irrsinnige Freude bereitende Zwischenstation. Mein großes Ziel ist und bleibt das Anstreben der Funktion des Reisereferenten beim Pensionistenverband." Wann soll es so weit sein? Vor Kurzem habe er die Auszeichnung zur 25-jährigen Mitgliedschaft erhalten, plaudert Kaiser weiter. Es werde in der Periode passieren, wo er 30 Jahre plus beim Pensionistenverband ist. Allerdings sei die Position aktuell noch besetzt. "Also übe ich mich in Geduld." Auch ernsthaft gefragt, lässt sich der Landeshauptmann nicht auf die Frage ein: "Das scheint noch so in der Ferne zu sein, dass ich mir noch keine näheren Vorstellungen gemacht habe."

Eine Entscheidung über seine Nachfolge würde er nie allein als "lonely wolf decision" treffen, sagt der Landeshauptmann und verweist auf die SPÖ-Nachwuchsakademie und die kommunalpolitische Akademie. Ihm schwebe auch noch eine Erweiterung der parteieigenen Kaderschmieden in Richtung politische Spitzenfunktionen vor. Bedeute der Verweis auf Bildungsinstitutionen, dass noch ist kein Nachfolger in Sicht ist? "Der Horizont ist voll von geeigneten Personen in der SPÖ, wirklich." Namen nennt Kaiser aber keinen – um niemandem zu schaden aber auch um Vorstellungen nicht zu befeuern, er selbst nähere sich seinem Abschied. (APA, 2.12.2018)