Das Auf und Ab der Kandidaten: Die Kanzlerfrage im Langzeitvergleich

Wien/Linz – Ein Jahr nach der Regierungsbildung ist sowohl die Kanzlerpartei ÖVP als auch ihr Obmann Sebastian Kurz in allen Umfragen weit vorne: "Die Kanzler- und Sonntagsfrage finde ich ja wenig spannend", seufzt der Politikforscher Peter Hajek.

Und David Pfarrhofer, der mit dem Linzer Market-Institut regelmäßig für den STANDARD die politische Großwetterlage erhebt, schlägt in dieselbe Kerbe: "Wären jetzt Nationalratswahlen, dann würde die ÖVP mit etwa 34 Prozent klar vor der SPÖ mit etwa 27 Prozent und der FPÖ mit etwa 24 Prozent gewinnen. Das hieße im Vergleich zur Nationalratswahl im letzten Herbst: Die ÖVP legt ganz leicht zu, die FPÖ verliert ganz leicht. Und an der SPÖ geht das alles spurlos vorüber. Klingt langweilig – aber man muss seriöserweise immer dazusagen, dass es keine Wahlkampfsituation gibt, in der es deutliche Veränderungen geben könnte."

Zu ergänzen wäre noch: Es wünscht sich kaum jemand solch eine Wahlkampfsituation.

der STANDARD ließ nämlich auch das erheben: "Der nächste Termin für die Nationalratswahlen ist planmäßig im Herbst 2022. Was meinen Sie: Sollte die derzeitige Koalition bis Herbst 2022 weiterarbeiten, oder sollte früher neu gewählt werden?"

Koalition soll weiterarbeiten

Darauf sagten 56 Prozent der – repräsentativ für die österreichischen Wahlberechtigten ausgewählten – 805 Befragten, dass die derzeitige Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode weiterarbeiten soll.

Am stärksten befürworten das erwartungsgemäß die Anhänger der Kanzlerpartei ÖVP mit 95 Prozent. Aber auch die erklärten Wähler des kleinen Koalitionspartners FPÖ sind mit 83 Prozent klar für eine Weiterführung der Koalition,

Selbst unter erklärten Sozialdemokraten sind 28 Prozent dafür, dass die Regierung so weitermachen kann wie bisher. Allerdings sind zwei Drittel der SPÖ-Wähler für Neuwahlen. In der Gesamtbevölkerung sind die Befürworter einer Neuwahl mit 32 Prozent aber klar in der Minderheit. Auffallend ist allerdings, dass Jungwähler unter 30, Einwohner von Landeshauptstädten und noch stärker Wiener dazu neigen, sich vorgezogene Wahlen zu wünschen. In dieser Gruppe liegt die Befürwortung jeweils über 40 Prozent.

Regierung erfüllt die Erwartungen

Erfüllt die Koalition also im Wesentlichen das, was man von ihr erwartet? der STANDARD ließ auch das durch das Market-Institut erheben. Die Fragestellung lautete: "Seit etwa einem Jahr arbeiten ÖVP und FPÖ auf Bundesebene in einer Regierung zusammen; hat die Regierung aus ÖVP und FPÖ Ihre Erwartungen erfüllt so alles in allem oder nicht?"

14 Prozent der Befragten sagten, dass ihre Erwartungen "auf jeden Fall erfüllt" wurden, weitere 36 Prozent bezeichneten ihre Erwartungen als "eher schon erfüllt". Macht 50 Prozent – und trifft sich mit dem Ergebnis, das Peter Hajek gleichzeitig für das Österreich-Barometer von ATV erhoben und veröffentlicht hat: Bei ähnlicher Fragestellung (Hajek fragte nach der Zufriedenheit mit der Arbeit der Regierung) kam heraus, dass 47 Prozent der von Hajek Befragten mit der Regierung ganz oder überwiegend zufrieden sind.

Treue freiheitliche Wähler

Sowohl die von Hajek erhobene Zufriedenheit als auch die von Market erhobene Erfüllung der Erwartungshaltung wird in besonderem Maß von Anhängern der ÖVP und der FPÖ betont. Auffallend ist in beiden Umfragen, wie sehr die FPÖ-Wähler treu zur Regierung stehen – ein klarer Unterschied zu jener FPÖ-Wählerschaft, mit der die schwarz-blaue Koalition von Wolfgang Schüssel und seiner blauen Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer in deren Regierungszeit zu Beginn des vorigen Jahrzehnts konfrontiert war.

Und das, obwohl die FPÖ durch die Regierungsbeteiligung allenfalls stabilisiert, aber nicht gestärkt wurde: Im Herbst des Vorjahres kamen die Freiheitlichen auf 26 Prozent, in der aktuellen Market-Hochrechnung liegen sie bei 24 Prozent; Hajek sieht die Freiheitlichen gar nur noch bei 22 Prozent. Das war die Marke, bei der im Jahr 2002 die FPÖ-Funktionäre untreu wurden und den fatalen Weg nach Knittelfeld antraten: Bei einer Versammlung in der obersteirischen Industriestadt im August 2002 kündigten sie der Parteiführung die Gefolgschaft auf und leiteten so das größte freiheitliche Wahldebakel der Geschichte ein. Das will im blauen Lager offenbar niemand wiederholen.

Auch die SPÖ ist stabil

Bei der SPÖ kann man dagegen entspannt sein: Die Umfrageergebnisse sind zwar nicht berauschend (die Durchschnittsnote 3,71 ist etwas schlechter als jene 3,6, die sie unter Christian Kern im Mai 2017 hatte), Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner erreicht in der Kanzlerfrage aber 26 Prozent – so viel wie Kern als Parteichef und Kanzler in Frühjahr 2017. (Conrad Seidl, 15.12.2018)