Sicherheitsexperte und Hochschuldozent Bardy.

Foto: Bardy

Wien – Zuletzt war anlässlich des Polizeikessels, in dem Rapid-Fans festgehalten wurden, auch von der Gefahr einer Massenpanik die Rede. Doch wissenschaftlich ist der Mythos der Massenpanik schon seit Jahrzehnten widerlegt. Sozialpsychologen wie John Drury von der University of Sussex oder Dirk Helbing von der ETH Zürich, der die fatalen Ereignisse bei der Loveparade in Duisburg 2010 analysierte, haben diese Legende, die sich in Medien hält, hinlänglich erforscht.

Martin Bardy, Veranstaltungssicherheits- und Crowdmanagementexperte, der an der Donau-Universität Krems und der FH St. Pölten lehrt, warnt davor, dass die "urban legend", wie er Massenpanik nennt, im Notfall, etwa bei großen Räumungen, eine echte Gefahr darstellt. Etwa wenn auch das Sicherheitspersonal an Massenpanik glaubt.

Nur ein Prozent verfällt in Panik

"Die Erwartungshaltung, wie sich Menschen in Notfällen verhalten, divergiert stark von der Realität", führt Bardy im Gespräch mit dem STANDARD aus, "weil wir nämlich so gut wie keine Notfallerfahrung haben." Man habe eher Bilder aus Filmen im Kopf. In Wahrheit "unterreagieren wir eher, als dass wir überreagieren, nur etwa ein Prozent der Bevölkerung neigt dazu, in Panik zu verfallen, und die anderen 99 Prozent können das eine Prozent gut beruhigen", so Bardy.

Deshalb müsse man mit den Menschen Klartext sprechen und nicht in irgendwelchen Codes. Wer über die richtige Information verfügt, kann auch adäquat reagieren, "sonst nimmt man den Menschen diese Möglichkeit", warnt Bardy. "Menschen reagieren in aller Regel rational und wollen helfen!" Die Mär, dass Leute übereinandertrampeln, weil sie rücksichtslos seien, sei auch eine willkommene Ausrede für Veranstalter und Behörden, die Schuld an einem Unglück auf die anonyme Masse zu schieben. "Dabei sind es organisatorische und strukturelle Mängel, durch die ein erhöhter physikalischer Druck zu Massentragödien führen kann", so Bardy.

Die gute Nachricht sei: "Wir Menschen sind nicht so böse, wie man glauben möchte." Das habe auch das Verhalten der Betroffenen am 11. September 2001 im World Trade Center gezeigt. (Colette M. Schmidt, 20.12.2018)