Das autonom fahrende Auto in Elektropolis.

Foto: Atrium Verlag, Zürich

Erich Kästners launige Utopie "Der 35. Mai".

Foto: Atrium Verlag, Zürich

Knapp vor Weihnachten erreicht uns folgende Nachricht aus Elektropolis: Konrad, der neugierig neben einem der Wagen hergerannt war, kam zurück und schüttelte den Kopf. "Denkt euch bloß", sagte er, "die Autos fahren von ganz allein, ohne Chauffeur und ohne Steuerung. Mir ist das völlig schleierhaft." Da bremste ein Wagen und hielt neben ihnen. Eine nette alte Dame saß hinten drin. Sie häkelte an einem Filetdeckchen und fragte freundlich: "Sie sind wohl von auswärts?" ... "Unsre Wagen werden ferngelenkt", erzählte sie. "Das Lenkverfahren beruht auf der sinnreichen Koppelung eines elektromagnetischen Feldes mit einer Radiozentrale. Ganz einfach, was?" "Blödsinnig einfach", meinte der Onkel. "Einfach blödsinnig", knurrte das Pferd. ... Die drei gafften wie die Ölgötzen hinterher. Und der Onkel sagte: "Das ist ja allerhand. So schön wird's später auf der ganzen Welt sein! Hoffentlich erlebst du's noch, mein Junge."

Launige Utopie

Wer schreibt denn so was, werden Sie jetzt vielleicht fragen. Nun, ein gewisser Erich Kästner. Der mit "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" . Er entwarf diese launige Utopie im Kinderroman Der 35. Mai – und zwar anno 1931.

Neffe Konrad war da grad Volksschüler, also etwa 1925er-Jahrgang. Dass er das "So schön wird's später auf der ganzen Welt!" erlebt, ist zweifelhaft – vor 2030 ist mit dem vollautonomen Fahren kaum zu rechnen. Aber des guten alten Dresdeners Vorhersage, allerhand.

Das Land Utopia spukt in den Köpfen von uns europäischen Menschen herum, seit Thomas Morus 1516 mit diesem seinem Werk die Lawine ins Rollen brachte. Vieles war Müll, manches weltbewegend, weniges – darunter Kästners Vision – treffsicher, wenn auch bezüglich fragwürdiger Entwicklungen.

Pannendienst

Und was macht Konrads Onkel Ringelhuth, wenn sein gemietetes Autonomobil ein technisches Gebresten hat? Das, was ihm in Elektropolis am meisten imponierte: mittels Taschentelefon, das man einfach unterwegs rauskramen kann, den Pannendienst rufen.

Was das mit Weihnachten zu tun hat? Pssst. Das Christkind bringt meinem Patenkinde dieses auch sonst an Wuchteln reiche Büchlein. Und damit auch Ihnen ein frohes Fest. (Andreas Stockinger, 24.12.2018)