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Tumor-DNA ist auch im Blut zu finden.

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Für die Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen liefern Biopsien des Gewebes wichtige Informationen. Tumor-DNA lässt sich allerdings auch im Blut finden. Wie ein bösartiger Tumor auf eine Therapie anspricht und sich im Laufe der Zeit verändert, könnten Mediziner in Zukunft mit einer einfachen Blutproben erkennen. Die Methode dahinter ist die "flüssige Biopsie" (Liquid Biopsy).

Das Grazer Kompetenzzentrum CBmed will die Verwirklichung dieser Vision künftig erheblich vorantreiben, sagt Geschäftsführer Robert Lobnig. Die Liquid Biopsy, die mit wenigen Millilitern Blut auskommt, werde das Monitoring von onkologischen Erkrankungen revolutionieren: "Ihr Einsatz könnte die Verlaufskontrolle bei der Entwicklung eines behandelten Tumors deutlich erleichtern", so Lobnig. Für diese Technologie werden in Graz in Kooperation mit Industriepartnern neue Verfahren, Methoden und Standards entwickelt.

Wunsch jedes Patienten sei es, dass die Krebstherapie ein Maximum an Wirkung und ein Minimum an Nebenwirkung bringt, so Projektleiter Amin El-Heliebi. Je Patient regieren Tumore auf bestimmte Therapien jedoch unterschiedlich, zuweilen greift die Intervention nach einer gewissen Zeit nicht mehr. Ziel der weltweiten Forschung ist es daher, die Therapie auf den jeweiligen Tumor in Zukunft maßgeschneidert zu gestalten.

In klinische Praxis

Ausschlaggebend sind dafür die jeweiligen molekularen Veränderungen innerhalb des Tumors im Verlauf der Therapie, so El-Heliebi. Diese können mithilfe der "flüssigen Biopsie" und daran anschließender Genomsequenzierung erfasst werden. "Wir brauchen einen tieferen Einblick in die molekularbiologische Dynamik – und hier kommt die Liquid Biopsy ins Spiel", schildert der Grazer Experte. In Kooperation mit Forschern der Med-Uni Graz, dem Joanneum Research, der TU Graz und internationalen Partnern arbeitet das Kompetenzzentrum daran, das Verfahren speziell für das Monitoring des Behandlungserfolgs zu verfeinern. "Wir wollen maßgeblich daran mitwirken, die Erkenntnisse aus der Forschung vor Ort in die klinische Praxis zu bringen", sagt Lobnig.

Das Prinzip der Liquid Biopsy beruht darauf, die Blutproben im Hinblick auf zirkulierende Tumorzellen und zellfreie zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) zu analysieren. Sie werden isoliert und mittels Hochdurchsatzsequenzierung auf wesentliche Charakteristika untersucht. Lässt man im Laufe der Zeit regelmäßig weitere Screenings folgen, lasse sich beobachten, ob und welche Veränderungen es im Tumorgenom gibt. So könnte mit diesen Biomarkern Schlüsse gezogen werden, ob eine Intervention greift oder ob manche Tumorzellen möglicherweise therapieresistent geworden sind und die Behandlung angepasst werden sollte.

Große Datenmengen

Was einfach klingt; ist jedoch ein hoch komplizierter Prozess, der erst durch die enorme Entwicklung der modernen Sequenzierungstechnologie (Next Generation Sequencing; NGS) und der Verarbeitung großer Datenmengen in der Bioinformatik möglich geworden ist. Routine in der Betreuung von Patienten in Kliniken ist das alles derzeit noch nicht. In Graz hat man unter anderem bereits spezielle Erfahrungen mit der Verlaufskontrolle von Prostatakrebs.

Hier gebe es den Fall, dass die Krebserkrankung fortschreitet, obwohl der Patient eine klassische Antihormontherapie erhält, um das Tumorwachstum zu hemmen, schildert El-Heliebi. Für diesen Fall gibt es Chemotherapiemöglichkeiten. Erste Untersuchungen mittels Liquid Biopsy würden darauf hinweisen, dass der Nachweis einer Therapieresistenz direkt aus dem Blut durchaus früher als mit einer traditionellen Gewebeprobe erfasst werden kann. Weitere Studien müssten jedoch noch zeigen, welchen konkreten Vorteil das für den Patienten bringen kann.

Ziel ist es, in Kooperation mit u.a. dem japanischen Pharmaunternehmen Daiichi Sankyo oder auch dem koreanischen Biotechnologieunternehmen Cytogen die methodische Weiterentwicklung und den Einsatz der Liquid Biopsy im Bereich des Prostata-, Lungen- und Darmkrebses voranzutreiben. "Wir sind hier in Graz in der Forschungstechnik ein international bekanntes Zentrum, der Entwicklung dieser weitreichenden neuen Form der Medizin steht aber noch ein weiter Weg bevor", so El-Heliebi. "Die Herausforderungen beginnen u.a. schon bei der Probengewinnung." Gemeinsam mit dem deutschen Biotech-Konzern Qiagen entwickle man daher beispielsweise standardisierte Abläufe der Präanalytik im Bereich der zirkulierenden Tumorzellen.

Neue Produkte

Das Österreichische Kompetenzzentrum für Biomarkerforschung in der Medizin arbeitet seit 2015 an der Identifizierung, systematischen Erforschung und Validierung von Biomarkern, um letztlich neue Produkte für die klinische Anwendung im Bereich von Krebs, Stoffwechselerkrankungen und Entzündungen zu entwickeln. Seither sind nach eigenen Angaben 25 Forschungsprojekte bearbeitet worden. Dafür standen bis Ende 2018 rund 20 Mio. Euro zur Verfügung. In der ersten Förderperiode wurden über alle Forschungsbereiche hinweg über 450 Publikationen vorgelegt, eine Vielzahl von Biomarker validiert und fünf Erfindungen gemacht, welche zum Patent angemeldet wurden, blickt Lobnig zurück.

Eigentümer von CBmed sind neben der Med-Uni Graz die Medizinische Universität Wien, die TU Graz und Universität Graz, das Joanneum Research und das Austrian Institute of Technology. Zu den Kooperationspartnern zählen u.a. Novo Nordisc, Kapsch BusinessCom, Qiagen, ViennaLab, BBraun, und Allergosan. Mit Daiichi Sankyo und der Med-Uni Wien ist die Kooperation im Bereich der digitalen Pathologie angelaufen. (APA, 2.3.2019)