So sieht echte Bike-Liebe aus: Markus Tanzer-Kargl und seine Fanes 6.0.

Foto: Tanzer-Kargl

Bike-Porn par excellence – die Alutech Fanes 6.0. Ein bisserl made in Austria.

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Radelnbauen ist bei Alutech noch echte Handarbeit.

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Industriecharme trifft Mountainbike-Hightech.

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Zwei Männer und ihr Baby: Alutech-Mastermind Jürgen Schlender und Markus Tanzer-Kargl.

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Innsbruck – Mit der Fanes hat die norddeutsche Bikeschmiede Alutech eines der ersten und besten Enduro-Mountainbikes entwickelt. Was jedoch kaum jemand weiß, ist, dass für die unverwechselbare Formensprache der runderneuerten Fanes 6.0 ein Niederösterreicher verantwortlich zeichnet. Industriedesigner Markus Tanzer-Kargl ist vor gut fünf Jahren seiner Frau nach Norden gefolgt. Seine Leidenschaft fürs Radeln nahm er mit an den Nordostseekanal. Der Rest ist eine Geschichte, wie sie nur das Mountainbiken schreiben kann.

Dass er irgendwann ein Mountainbike designen will, das stand für den heute 32-Jährigen schon fest, als er sich für den Beruf des Industriedesigners entschied. Denn seit der frühen Jugend galt seine Leidenschaft dem Bergradeln. Nach dem Studium in Graz kam er diesem Ziel im Zuge seiner Diplomarbeit schon recht nahe, wie er erzählt: "Ich habe für KTM ein Urban-Pedelec-Konzept erstellt." Das machte ihm durchaus Spaß: "Aber es war halt kein Mountainbike ..."

Die Werft gleich neben Alutech

Die Erfüllung seines Traums sollte im hohen Norden Deutschlands auf ihn warten. Dort fand seine Frau nämlich Arbeit auf einer Werft. Tanzer-Kargl war zu der Zeit bereits als selbstständiger Industriedesigner tätig, ein Job, der nicht unbedingt ortsgebunden ist, und so war sofort klar, dass er seiner Liebsten in die Fremde folgen wird. Was er damals noch nicht wusste, war, dass keine 15 Minuten von der Werft entfernt die legendäre Bikeschmiede Alutech beheimatet ist.

Der Umzug Richtung Hamburg war für den begeisterten Mountainbiker von Wehmut begleitet – fürchtete er doch um sein liebstes Hobby. Wo sollte man an der Ostseeküste schon mountainbiken? Arbeitskollegen seiner Frau, ebenfalls passionierte Radlerin, stellten für die Exilanten den Kontakt zu den Bikern von Alutech her. Und so begab es sich, dass die Tanzer-Kargls ihre erste Ausfahrt gleich mit Mr. Alutech, Jürgen Schlender höchstselbst, unternahmen.

Eine deutsch-österreichische Freundschaft

Schlender ist in der Szene als wahrer Nerd bekannt, der Mountainbiken nicht nur als Geschäft betreibt, sondern es mit Herz und Seele lebt. In diesem Blog hatten wir bereits das Vergnügen mit ihm, als wir sein Sennes als ersten 29er-Downhiller vorstellen durften, der in Serie produziert wurde.

Der Nordmann zeigte den Ösis gleich bei der ersten Tour durch die Hüttener Berge, dass die norddeutschen Hügel durchaus lohnendes Terrain sind, um die bikerischen Entzugserscheinungen in Zaum zu halten. "Es war sogar richtig cool, mit einigen legalen Trails", ist Tanzer-Kargl heute noch überrascht vom Streckenangebot. Und wie das beim Biken eben so ist, drehte sich in den Gesprächen der Truppe alles um die Liebe zum Zweirad.

"Jürgen hatte damals schon die Idee für ein neues Design der Fanes im Kopf", erzählt der Niederösterreicher. Tanzer-Kargl erkannte seine Chance, und alsbald war man im Geschäft. Der Industriedesigner wurde damit beauftragt, das vorgegebene Rahmensetup sowie die Geometrie und die Drehpunkte zu einem formschönen, zeitgemäßen Endurorahmen zu entwickeln. Durchaus eine Herausforderung, die er aber gern annahm.

Ein Rahmen, drei Bikes

Das begann schon beim Firmennamen, der bei Alutech Programm ist. Denn Boss Schlender schweißt manche Aluminiumrahmen sogar noch selbst zusammen. Trotzdem hat der mittlerweile am Markt vorherrschende Verbundstoff die Formensprache von Mountainbikes verändert. Daher musste Tanzer-Kargl den alten Werkstoff Alu in die neue Form des Carbons bringen. In der Praxis bedeutete das viele organische Freiformflächen, um die ideale Kombination der fließenden Carbon-Formensprache und des maschinenartigen Alu-Designs zu finden.

Eine weitere Herausforderung für den Industriedesigner bestand darin, dass bei Alutech der Rahmenrohrsatz so gestaltet sein muss, dass er auch für andere Produktlinien verwendbar ist. Im Fall der Fanes sind das das Hardtail Cheaptrick und der Downhiller Sennes. Und es ist Firmenphilosophie, dass man Räder baut, die nicht nur eine Saison, sondern jahrelang gefahren werden. Dem ist bei der Fanes etwa der Dämpferbock am Unterrohr geschuldet, der austauschbar ist. Sollten also neue Dämpferstandards Einzug halten, lässt sich das Teil einfach und günstig wechseln.

Aus den Skizzen und 3D-gedruckten Modellen wurde mittlerweile Realität. Die Fanes 6.0 rockt die Trails von Hamburg bis zum Anninger, wo Tanzer-Kargl seine eigene Fanes am liebsten durchs Gelände jagt. Im Moment pendelt er zwischen Norddeutschland und Niederösterreich, die Kooperation mit Alutech ist weiterhin aufrecht. "Jürgen Schlender hat einen Riecher für Trends, er schweißt und testet seine Bikes selbst. Dieser Zugang gefällt mir sehr", erklärt Tanzer-Kargl den Bestand der deutsch-österreichischen Freundschaft.

Neue Projekte schon in Arbeit

Zwar gestaltet der Industriedesigner nicht nur Fahrräder. "Ich bin eine Art menschlicher 3D-Drucker für Ideen und designe mit meinem Büro Squaring Design von Möbeln bis hin zu Baumaschinen alles", beschreibt Tanzer-Kargl seinen Berufsalltag. Doch er hofft, dass Mountainbikes in Zukunft zentraler Bestandteil seiner Arbeit bleiben. Denn: "Fahrräder sind an sich die beste Erfindung aller Zeiten und schon ziemlich nahe an der Perfektion." Mit den "Nordlichtern" habe er nun Partner, die ähnlich ticken wie er selbst und nicht jedem Trend hinterherlaufen, sondern nur das für gut befinden, was Bikes wirklich noch zu verbessern vermag.

Und so tüftelt er zusammen mit Schlender bereits am nächsten Projekt. Viel darf er dazu nicht verraten, aber es geht um ein Kabelintegrationssystem, das alle Kabel vom Lenker her so direkt wie möglich in den Rahmen führt: "Der Teufel liegt dabei wie so oft im Detail. Wir befinden uns gerade in der heißen Prototypphase." Und wenn es wieder einmal fuchst, setzt er sich einfach auf seine Fanes und holt sich neue Inspiration. (Steffen Arora, 12.3.2019)