Die ganze Mystik an Mustique? Ist schnell erklärt. Bei der Karibikinsel handelt es sich um Privateigentum, wenige Geheimnisse dringen nach außen. Diese Exklusivität und die Abgeschiedenheit locken bis heute Prominente an. Mick Jagger, Bryan Adams und Tommy Hilfiger haben hier Häuser. Ihr gemeinsamer Treffpunkt auf der sechs Quadratkilometer großen Insel ist Basil's Bar, eine einfache Hütte mit strohgedecktem Dach.

Basil Charles betreibt seit über 40 Jahren eine Strandbar auf der privaten Karibikinsel Mustique.
Foto: Ulf Lippitz

Sie ist benannt nach dem Gründer Basil Charles, einem schlanken Kerl mit grauem Haar, 72 Jahre, geboren auf der Hauptinsel des Karibikstaats Saint Vincent und die Grenadinen. Er ist eine lebende Legende, denn in keiner anderen Strandhütte der Region haben mehr Blaublütige, Schauspieler und Popstars gefeiert. Kate Moss, Eric Clapton, Jerry Hall, Johnny Depp – und Princess Margaret, die 2002 verstorbene Schwester der Queen. Sie reiste in den 1970er- und -80er-Jahren nach Mustique und machte aus der gelsengeplagten Insel ein Ferienparadies für den Jetset. Vor wenigen Wochen haben wir Basil Charles in seiner Bar getroffen:

Basil's Bar ist eine einfache Hütte. Zu den Gästen gehören Kate Moss, Eric Clapton, Jerry Hall und Johnny Depp.

STANDARD: Basil, Sie waren lange der einzige Barkeeper auf Mustique. Ist das der Job, von dem Sie geträumt haben?

Basil Charles: Ich war ein armer Kerl, der Geld brauchte. Meine Mutter starb, als ich neun war, mein Vater fischte, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich lernte Automechaniker, aber als ich 1971 auf der Insel angefangen habe, suchte das Hotel ein Mädchen für alles. Eines Tages stand ich im Cotton House hinter der Bar, da kam ein Mann in weißem Anzug auf mich zu und fragte: Weißt du, wie man Rum and Coke macht? Das war Colin Tennant, der Mann, der Mustique 1958 gekauft hatte.

STANDARD: Was haben Sie dem Freund von Princess Margaret, der die Insel um 45.000 Pfund erworben hat, geantwortet?

Charles: Ich sagte ihm, keine Ahnung, und zeigte auf die verschiedenen Flaschen Rum und Gläser hinter mir: Ich könnte jetzt irgendein Glas nehmen, Rum reinschütten und Cola drauf. Mögen Sie das so? Wie widerlich, sagte er, ich will ein kleines Glas, zwei Eiswürfel, einen großen Shot Bacardi und einen Schuss Cola drauf. Von jetzt an bekommen Sie Ihren Drink, wie Sie ihn haben möchten, sagte ich. Das war der Moment, in dem Colin dachte: Ich habe meinen Barkeeper gefunden.

STANDARD: Wie würden Sie Colin Tennant beschreiben?

Charles: Er war ein kolonialistischer Exzentriker, ganz klar. Aber ohne ihn hätte ich kein Stück dieser Bar pachten und später kaufen dürfen. Er hat sich dafür eingesetzt.

In Basil's Bar gelten eigene Regeln: Wer rein will, muss die Kamera abgeben.

STANDARD: Dort bedienen Sie die Reichen und Schönen dieser Welt. Welche Lektionen mussten Sie lernen?

Charles: Sei vorsichtig bei dem, was du sagst. Wenn ein Gast schlechte Laune hat, frage ich ihn zuerst: Darf ich Ihnen eine Flasche Wein spendieren? Die meisten brauchen einfach die Aufmerksamkeit, und dann sind sie glücklich.

STANDARD: Wer gibt die besten Trinkgelder?

Charles: Früher Jim Kimsey, einer der Gründer von AOL. Er sagte immer: Ich will verdammt noch mal sichergehen, dass keiner dieser britischen Snobs mehr Trinkgeld gibt als ich. Aber einmal steckte mir ein russischer Stammkunde einen Umschlag zu. Ich war zu beschäftigt, um ihn sofort zu öffnen. Erst zu Hause schaute ich rein. Da waren 3.000 Dollar drin – das spendabelste Trinkgeld, das ich je bekommen habe.

STANDARD: Hat Princess Margaret Trinkgeld gegeben?

Charles: Sie hat mir sogar ein Geschenk mitgebracht, einen silbernen Schlüsselanhänger mit einem Wappen, in dem ein M eingraviert ist. Der liegt immer noch bei mir zu Hause.

STANDARD: Wann haben Sie die Prinzessin das erste Mal getroffen?

Charles: Im Februar meines ersten Jahres. Anfangs musste ich sie mit Her Royal Highness anreden, mich verbeugen, danach sprach man sie mit Ma'am an. Sie war cool. Wenn sie in der Bar des Cotton House war und ein Fremder auf sie zukam, um sie zum Tanz aufzufordern, sprang ich manchmal auf und bat sie schnell auf die Tanzfläche. Colin hatte uns eingeschärft, sie in keine unangenehme Situation zu bringen.

Für Princess Margaret war Mustique ein Rückzugsort, an dem sie sich frei bewegen konnte. Es gab hier keine Presse.

STANDARD: Margarets Ehemann, Lord Snowdon, nannte Mustique auch Mistake, also einen Fehler.

Charles: Er hasste Mustique, weil es Margarets Insel war. Überdies kannte sie Colin aus den 1950er-Jahren, sie gingen eine Zeitlang miteinander aus. Als Princess Margaret 1960 Snowdon heiratete, fragte Colin sie: Willst du lieber einen Cocktailshaker von Asprey oder ein Stück Land auf meiner Insel haben? Sie entschied sich für das Grundstück, und Lord Snowdon verstand, dass es ein Geschenk nur für sie war. Ab den 1970er-Jahren begann er Affären mit anderen Frauen. Doch Princess Margaret wollte sich lange nicht scheiden lassen. Die Queen hätte ihr das auch nicht gestattet, denke ich. Und so kam die Prinzessin nach Mustique, manchmal mit einem jüngeren Mann, mit dem sie vielleicht auch ausging. Auf der Insel konnte sie frei sein, es gab hier keine Presse.

STANDARD: Nie Probleme mit Paparazzi?

Charles: Wir erlauben keine auf der Insel. Wenn wir wussten, dass Ma'am kommen würde, sagten wir jedem Gast mit Kamera: Sie können bleiben, wenn Sie einverstanden sind, dass wir Ihnen den Fotoapparat abnehmen, hinter der Bar einschließen und später zurückgeben. Niemand hat das abgelehnt.

STANDARD: Tennant ging beinahe pleite und musste Anteile der Insel verkaufen. Er wollte nie, dass sich hier Gäste in Villen einmieten können. Heute geht das problemlos.

Charles: Andere seiner Ideen leben allerdings fort: keine Marina, keine Ausflugsboote, kein großes Hotel. Die Insel brauchte eben Geld, um weiterzubestehen, damit die ganzen Straßen und Leitungen gebaut werden konnten. Die Schule, die Kirche, das Dorf für die Einheimischen.

STANDARD: Kommen die auch in die Bar?

Charles: Das war mir von Anfang an wichtig. Einige Snobs wollten ja, dass nur die Reichen hier ihr Bier trinken, dass der Fischer, der Butler, die Putzfrau nicht in derselben Bar sitzen darf. Keine Diskussion, ich habe mich durchgesetzt.

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Über die privaten Villen auf Mustique erzählt man sich viele Geschichten. Die Bauarbeiten von David Bowies Anwesen sollen ewig gedauert haben..
Foto: Getty Images

STANDARD: Einer Ihrer Gäste war David Bowie. Angeblich dauerten die Bauarbeiten für seine Villa fünf Jahre. Finden Sie gelegentlich: Die spinnen, die Reichen?

Charles: Bedenken Sie, dass man alles importieren muss. Es gibt keinen Steinbruch, keine Fabrik für Ziegelsteine. David engagierte einen Landschaftsgärtner aus Bali, der ihm den Garten gestaltete. Und die Handwerker für seine Schnitzereien an den Wänden kamen auch von dort. Ich finde, sein Haus war relativ bodenständig, die ganzen Spielzimmer, die es heute gibt, eines vollgestellt mit Flipperautomaten, wurden erst nach dem Verkauf an Felix Dennis eingebaut.

STANDARD: Der Verleger erwarb die Villa 1995. Damals befand er sich in einer mittelschweren Kokainphase. Haben Sie weggeschaut, wenn er in der Bar eine Linie legte?

Charles: Ich glaube nicht, dass jemand so dumm wäre, hier Kokain zu ziehen. Sehen Sie sich um, wir sind auf allen Seiten offen. Der Wind würde alles wegblasen. Vielleicht hat jemand einen Joint geraucht, und die Tischnachbarn haben sich beschwert. Ich habe dann gesagt, hey, geh doch rüber auf die andere Straßenseite.

Theoretisch kann sich heute jeder eine Villa auf Mustique mieten. Das war nicht immer so. Colin Tennant, der früher alleiniger Eigentümer der Insel war, wollte das nicht.

STANDARD: In mehr als 40 Jahren kamen unzählige Prominente zu Ihnen. Was passierte, wenn Sie mal jemanden nicht erkannten?

Charles: Wenn ich diese Menschen vorher nie gesehen habe, wie soll ich sie wiedererkennen? Eines Tages saß auf unserer Terrasse ein Mann mit Brille und las ein Buch. Jemand fragte mich: Was macht Bill Gates hier? Ein anderes Mal sah ich im Büro die Reservierungen für den Abend durch, ein Kellner klopfte und sagte: Mister Washington würde dich gern kennenlernen. Ich hatte keine Ahnung, wer das sein könnte, ging hinüber zur Bar, schaute den Mann an und fragte: Washington wie in Denzel Washington? Der Schauspieler gab mir die Hand und sagte: Ich habe so viel von Ihnen gehört.

STANDARD: Sie sind inzwischen tatsächlich eine Berühmtheit. 2011 erhielten Sie die Einladung zur königlichen Hochzeit von Prince William und Kate Middleton.

Charles: Ich dachte zuerst, jemand würde mir einen Streich spielen, als ich die Einladung erhielt. Beide waren vor der Hochzeit einige Male in Mustique gewesen. Einmal spielten wir zusammen ein Freundschaftsturnier, ich im Doppel mit Kate und William mit einem örtlichen Tennisprofi. Was soll ich sagen? Wir haben gewonnen. (Ulf Lippitz, RONDO, 4.4.2019)