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Knapp sechs Prozent der heimischen Bevölkerung leben vegetarisch oder vegan.

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Empfindet eine Tomate Schmerzen, wenn man sie anschneidet? Ist starke Empathie mit Tieren Voraussetzung oder Folge von Veganismus? Die Fragen, mit denen sich eine am Mittwochabend präsentierte Kurzdokumentation der Agrarmarkt Austria Marketing GmbH (AMA) auseinandersetzt, sind durchaus ungewöhnlich für die Organisation. Immerhin wirbt sie das restliche Jahr über vorwiegend mit Käse- und Fleischprodukten.

Doch die AMA will nach eigenen Angaben Konsumenten breit über für sie relevante Themen informieren – dazu zähle auch die fleischlose Ernährung. Die Zielgruppe hält sich dabei noch in Grenzen: Nur 5,7 Prozent der österreichischen Bevölkerung ernähren sich vegetarisch oder vegan. Mit dem Kurzfilm will die Marketing-Organisation jedenfalls die Aufklärung über das Thema vorantreiben. Ob das Werk mit dem Titel "Ist Veganismus eine Zivilisationskrankheit?" dazu beitragen wird, ist fraglich.

Keine Antworten

Die Titelfrage wird in dem gut 20-minütigen Film gleich anfangs beantwortet: Mit dramatischer Musik im Hintergrund erklärt eine sonore Männerstimme, dass es "die" Antwort auf die Frage nicht gebe. Im Film selbst kommen Veganer wie auch Fleischesser – von Ernährungssoziologen bis zum Molekularbiologen – zu Wort, die im Anschluss an die Präsentation auf dem Podium Platz nahmen.

Fest steht, dass Veganer größtenteils jung, weiblich und gut gebildet sind, erklärte Marktforscher Thomas Schwabl. Der Marketagent-Geschäftsführer hat eine Umfrage zu den Motiven hinter tierfreier Ernährung gemacht. Laut Schwabl nannten Frauen Tierleid als Hauptmotivation für eine vegetarische oder vegane Ernährung, bei Männern stünden gesundheitliche Aspekte im Vordergrund. Rund ein Drittel der Befragten gab an, Nahrungsergänzungsmittel zu sich zu nehmen.

Vermenschlichung von Nichtmenschlichem

"Vegetarier reagieren stärker auf Tierleid", versuchte sich Claus Lamm, Professor für biologische Psychologe an der Universität Wien, auf wissenschaftlicher Ebene dem Thema zu nähern. Bisher sei jedoch nicht geklärt, ob die stärkere Reaktion eine Konsequenz auf die Ernährungsweise ist oder nicht. Im Allgemeinen würden Menschen jedenfalls häufig dazu tendieren, zu "anthropomorphisieren", sagt Lamm – also menschliche Züge in Nichtmenschliches hineinzuinterpretieren.

Der Molekularbiologe Dieter Volkmann wies darauf hin, dass Pflanzen sich erinnern und – wenn auch anders als der Mensch – Wahrnehmungen haben können, "zumindest auf niedrigeren Ebenen". Der Wissenschafter der Uni Bonn nannte Erdäpfel als Beispiel. Diese würden – einmal angeschnitten – binnen weniger Tage im Kühlschrank eine neue Haut über der "Schnittwunde" bilden.

Nicht ganz ohne Seitenhiebe

Obwohl der Kurzfilm nach Angaben der AMA informieren soll, statt Meinungen zu vertreten, kommt er nicht ganz ohne Seitenhiebe aus. Viele prominente Vegetarier und Veganer, die auf Seiten veganer Organisationen genannt werden würden, hätten gar nicht ohne tierische Proteine gelebt, heißt es in der Dokumentation. Als Beispiel wird Charles Darwin genannt, der "alle Tiere, derer er habhaft werden konnte", zu sich nahm; auch "Michael Jackson war nachweislich kein Veganer".

Summa summarum ließ der Film und auch die anschließende Diskussion die meisten eingangs gestellten Fragen unbeantwortet. Dennoch plant die AMA weitere Kurzfilme zu präsentieren und damit ihrem gesetzlichen Auftrag zur Bereitstellung von Informationen über Nahrungsmittel und Agrarerzeugnisse nachzukommen. Dabei soll es um "bodenständige Themen wie Futtermittel gehen", hieß es am Mittwoch. Aber auch der Frage, welche Auswirkungen Feminismus auf die Ernährung hat, will die Marketing-Organisation filmisch nachgehen. (lauf, 28.3.2019)