Lehrerinnen und Lehrer müssen das eigene Verhalten reflektieren.

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Einer AHS-Lehrerin in Wien wird die systematische Erniedrigung von Schülerinnen und Schülern vorgeworfen. Felix Stadler ist Lehrer an einer niederösterreichischen NMS. Im Gastkommentar möchte er eine Debatte anstoßen, wie man dafür sorgen könnte, dass nur geeignete Personen den Lehrberuf ergreifen.

Der Fall einer Wiener Mathematiklehrerin, die Schülerinnen und Schüler systematisch erniedrigt, beleidigt und psychisch unter Druck gesetzt haben soll, sollte zum Anlass genommen werden, ernsthaft über einige Grundsätze des Lehrerinnen- und Lehrerdaseins zu diskutieren: Wie werden Lehrerinnen und Lehrer ausgewählt? Wie wird ihre Arbeit laufend begleitet und überprüft? Welche Handhabe hat man bei Kolleginnen und Kollegen, die völlig fehl am Platz sind?

Kein einfacher Beruf

Viele Lehrerinnen und Lehrer sind zu Beginn ihrer Karriere intrinsisch motiviert, wollen etwas verändern, den Kindern möglichst viel beibringen und helfen. Aber der Lehrberuf ist kein einfacher. Die meisten Lehrkräfte werden schon einmal einen "So ein Lehrer wollte ich aber eigentlich nie werden"-Moment gehabt haben. Ich jedenfalls hatte solche Momente. Stress, undankbare Eltern, wenig Anerkennung für Mehrarbeit, geringe Sichtbarkeit der langfristigen Erfolge, das Wegschauen der Verantwortlichen bei Missständen und geringe Wertschätzung lassen den Frust schnell ansteigen.

Keine Lehrkraft, die sich gegenüber Kindern auch nur ansatzweise beleidigend oder herablassend gibt, soll in Schutz genommen werden. Wir sollten uns dringend die Frage stellen, wie man verhindern kann, dass es weiterhin Lehrkräfte gibt, die so agieren wie etwa das oben genannte Beispiel. Welche Veränderungen müssen im System gemacht werden, damit geeignete Personen Lehrerinnen beziehungsweise Lehrer werden und dass diese dann als Teil des Systems nicht allein gelassen und infolgedessen frustriert werden?

Ein Lösungsvorschlag

Im Optimalfall beginnt mit der Auswahl der Lehrerinnen und Lehrer ein Prozess, der sicherstellt, dass jede Person, die in der Klasse steht, die dafür notwendigen Kompetenzen, das notwendige Mindset und die notwendige Empathie mitbringt.

Ein einfacher schriftlicher Test vor Studienbeginn wird hier nicht funktionieren. Vielmehr sollte die Hochschule über einen längerfristigen Zeitraum überprüfen, ob ihre Lehramtsstudierenden die nötigen Voraussetzungen für den Lehrberuf mitbringen. Fehlen absolut nötige Kompetenzen, sollte man Lehramtsstudierende auch abweisen.

Nach einem fundierten Zulassungsverfahren sollten sich Studierende in der ersten Phase des Studiums vor allem mit Fragen beschäftigen wie: Welche Motivation habe ich um Lehrkraft zu werden? Wie schaut der Beruf wirklich aus? Wie geeignet bin ich für diesen Beruf? Im Idealfall bemerken jene Personen, die aus der falschen oder fehlenden Motivation heraus unterrichten wollten, dann selbst, dass sie in dem Beruf fehl am Platz wären.

Wanderpokale vermeiden

Der nächste Schritt in der Qualitätssicherung sollte in den ersten Berufsjahren passieren. Junglehrerinnen und Junglehrer bekommen Einjahresverträge, die durch die Direktion mit einer Weiterverwendung verlängert werden. Das ist eine Bewertung und Beurteilung des Könnens der Lehrkraft durch die Direktion, die derzeit leider oft stiefmütterlich behandelt wird. Weiterverwendungen werden einfach unterzeichnet. Sollte das Auftreten nicht passen, wird die Versetzung nahegelegt, aber das Formular dennoch unterschrieben. Wanderpokale.

Die Weiterverwendung muss ernster genommen werden. Direktorinnen und Direktoren sollten Stunden hospitieren, besprechen und Feedback geben. So könnte die Direktion gegebenenfalls fundiert argumentieren, dass die Person nicht für den Lehrberuf geeignet ist, und die Weiterverwendung nicht unterschreiben. Zum Schutz der Kinder, aber auch zum Schutz vor einer frustrierenden Karriere im falschen Beruf.

Reflexion und Supervision

Lehrerinnen und Lehrer werden mit ihrer Arbeit und ihren Problemen oft allein gelassen. Dabei wäre es im Sinne der Qualitätssicherung gerade in den ersten Jahren immens wichtig, Feedback für die Arbeit zu bekommen. Das eigene Verhalten muss reflektiert und verbessert werden. Dazu sollten alle Junglehrerinnen und Junglehrer Mentorinnen und Mentoren bekommen, die Stunden hospitieren, analysieren und mit Rat beiseite stehen. Darüber hinaus braucht es verpflichtende Supervisionen, um die Belastungen, die ein Sozialberuf mit sich bringt, verarbeiten zu können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Prozess notwendig ist, der sicherstellt, dass nur geeignete Personen diesen so fundamental wichtigen Beruf ergreifen und der die Qualität der Arbeit in der Schule laufend kontrolliert und Lehrerinnen und Lehrer dabei nicht sich selbst überlässt. Weiterführend ließe sich noch diskutieren, wie Direktorinnen und Direktoren zu jenen Lehrkräften kommen, die ihrem Schulbild entsprechen, und wie sie jene, die nicht zur Schule passen, wieder loswerden.

Im Mittelpunkt der gesamten Debatte jedoch stehen immer die Schülerinnen und Schüler. Ihr Lernen, ihr Wohlbefinden und ihre Entwicklung sind das, worum es geht. Wir sollten ihnen als Lehrende daher immer zuhören und ihre Probleme und Ängste ernst nehmen. (Felix Stadler, 28.3.2019)