Bei kulturpolitischen Entscheidungen der Stadt Wien reden viele mit. Zu viele? Wien-Holding-Chef Kurt Gollowitzer, Finanzstadtrat Peter Hanke, Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler und VBW-Geschäftsführer Franz Patay. (v.l.n.r.)

Zur Kritik an ihnen könnten sich die Vereinigten Bühnen Wien (VBW) längst ein eigenes Musical schreiben – bei den Oppositionsparteien wäre es ein Hit: Seit Jahren monieren ÖVP, Neos und FPÖ nämlich, dass der städtische Bühnenverband, zu dem das Opernhaus Theater an der Wien, das Raimund- und Ronachertheater gehören, unverhältnismäßig viel Subvention erhalte, die an anderer Stelle im Kulturbudget gebraucht würde. Wiederholt erhoben Kritiker die Forderung, dass sich zumindest die Musicalsparte im Raimund und im Ronacher – wie in anderen Städten üblich – kostendeckend über den Markt finanzieren solle.

Von rund 40 Millionen Euro Subvention gehen 20 in das Opernhaus, der Rest ins Musical, das sich immerhin zu 70 Prozent von selbst erhält. Sowohl die VBW als auch der Subventionsgeber, die Kulturstadträte der MA 7 (Kulturabteilung), argumentierten die hohe Förderung mit dem Wiener Sonderweg, Musical in historisch erhaltungswürdigen Häusern zu produzieren. Vorteile wie das besondere Ambiente würden Nachteile, etwa das beschränkte Platzangebot, aufwiegen: Anstatt, wie international üblich, große Mehrzweckhallen oder Zelte zu bespielen, will man Wiener Stil bieten.

"Zwei Kulturstadträte"

Das Gezanke um die VBW wirft aber aktuell noch eine viel größere Frage auf – jene nach der Struktur, in der die Wiener Kultureinrichtungen organisiert sind. Obwohl die VBW ihre Förderung vom Kulturamt MA 7 erhalten, sind sie wirtschaftlich nämlich der städtischen Wien-Holding untergeordnet. Diese wiederum liegt in der Verantwortung des Finanzstadtrats (MA 5). In der für die Stadt hochprofitablen Holding sind 75 Firmen unter einem Dach versammelt, darunter die Therme Wien, Wohnbau, der Flughafen und eben Kulturbetriebe: Neben den VBW sind das das Haus der Musik, das Kunsthaus, das Mozarthaus, die Wiener Stadthalle und das Jüdische Museum.

Fritz Aichinger, Kultursprecher und Urgestein der ÖVP Wien, hält das für nicht zweckmäßig. Es sei vor allem kulturpolitisch falsch, wenn mit dem Finanzstadtrat und der Kulturstadträtin "de facto zwei Kulturstadträte agieren" und dann auch noch eine eigenwillige Wien-Holding zwischengeschaltet sei, sagt er zum STANDARD. Unter diesen Umständen, "wo bei allen Entscheidungen mindestens vier Player mit am Tisch sitzen müssen", könne man sich auf konkrete kulturpolitische Strategien "kaum einigen".

Rüge des Stadtrechnungshofs

Aichinger plädiert daher für eine Herauslösung der Kulturbetriebe aus der Wien-Holding und eine direktere Anbindung an den Subventionsgeber, die MA 7. Konkret könne das, zusammen mit übrigen Betrieben wie dem Wien-Museum oder der Kunsthalle, eine eigenständige Kulturholding ergeben, "es kann aber auch eine andere Struktur sein". Aichinger baut diesbezüglich auf die im Vorjahr angetretene Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ). Diese hat in mehreren Interviews gesagt, dass sie sich Strukturänderungen vorstellen könne und auch eine Kulturholding Thema sei.

Zu denken gibt der Stadträtin in diesem Zusammenhang ein jüngst von der ÖVP angestrengter Stadtrechnungshofbericht zu den VBW. Darin loben die Prüfer die Wiener Bühnen zwar wegen ihrer wirtschaftlichen Performance, beanstandet wird aber, dass an das Kulturamt nicht umfassend über die wirtschaftliche Lage berichtet worden sei. Die Berichte ergingen an die Wien-Holding, während die MA 7 ihre Förderungen an die VBW quasi "blind" auf der Basis einfacher Subventionsansuchen vergeben habe. So soll in einem Jahr zu viel, in einem anderen zu wenig Geld geflossen sein.

Die VBW versprachen umgehend, künftig auch an die Kulturstadträtin zu berichten, die Opposition aber sieht sich bestätigt: "Hier weiß die eine Hand nicht, was die andere macht", sagte Neos-Kultursprecher Thomas Weber. Auch er kann sich Strukturänderungen vorstellen, "wichtig ist aber, dass der Gemeinderat Kontrollrechte hat." Bei der Wien-Holding sei das nicht der Fall.

Betroffene winken ab

Fragt man bei den betreffenden Einrichtungen selbst nach, so ist die Rückmeldung fast deckungsgleich: Sowohl im Kunsthaus als auch im Jüdischen Museum gibt man sich zufrieden mit der derzeitigen Lösung. Änderungsbedarf sieht man nicht, denn die Wien-Holding liefere "bestes Know-how, wenn es um Managementfragen geht". Das kulturpolitische Mitspracherecht der MA 7 sieht man als ausreichend an.

Wien-Holding-Chef Kurt Gollowitzer hält von einer eigenständigen Kulturholding nichts: "Ich sehe keinerlei Vorteile", sagt er zum STANDARD, denn wenn man die Häuser aus der Holding herauslöse, würde dies die Stadt "sechs bis acht Millionen pro Jahr mehr kosten". Inhaltlich hätten die Unternehmen zwar unterschiedliche Aufgaben, "aber wirtschaftlich agieren sie in vielen Bereichen als Einheit und nach zentralen Vorgaben", so Gollowitzer. "Das beginnt bei den Investitionen, dem Controlling, dem Rechnungswesen und geht über den Personalbereich, die Aus- und Weiterbildung von MitarbeiterInnen hin zum Rechtsbereich, dem Marketing und der Öffentlichkeitsarbeit."

Dazu kämen "entsprechende Steuervorteile, die lukriert werden, da die Unternehmensgruppe der Wien Holding in ihrer wirtschaftlichen Gesamtheit zu betrachten ist." Gollowitzer dreht den Spieß lieber um und meint, "dass es für die Stadt sogar besser wäre, auch andere Museen und Theater in den Wien Holding-Konzern zu integrieren".

VBW-Chef Franz Patay und Finanzstadtrat Peter Hanke sind aus genannten Gründen ebenfalls gegen eine eigenständige Kulturholding – wobei Hanke festhält, dass man mit der Kulturstadträtin "selbstverständlich" über das Thema sprechen werde.

Im Büro von Kaup-Hasler gibt man sich mittlerweile vorsichtiger, wenn nicht gar zugeknöpft: Man stehe "vielleicht am Beginn einer vieljährigen Entwicklung", heißt es. Zwar werde man die Strukturen "evaluieren". "Derzeit" sei aber nicht geplant, Kultureinrichtungen der Wien Holding an das Kulturressort zu übertragen. (Stefan Weiss, 6.4.2019)