Ruth Markut-Kohl ist Projektleiterin und beschäftigt sich in ihrer Forschung mit Spritzgießmaschinen. Neben ihrem Büroalltag testet sie an den Maschinen Steuerungssoftware.

Foto: Christian Huber

Bei ihrer ersten Produktübergabe passierte es: Sie sollte als Technikspezialistin einer schottischen Firma eine neue Technologie ihres Unternehmens vorstellen. Bevor sich alle setzten, forderte der Chef der Delegation von ihr einen Kaffee und das WLAN-Passwort. Er dachte, sie wäre die Sekretärin, erzählt Ruth Markut-Kohl. Sie war perplex. Ein Kollege half ihr: Er klärte den Herren auf, dass sie die Expertin ist und brachte Kaffee und das Passwort. Im Nachhinein sagte er Ruth Markut-Kohl, dass man in solchen Situationen eingreifen und "den wenigen und sehr guten" Kolleginnen zur Seite stehen müsse. Der Fall zeigt, mit welchen Herausforderungen Frauen in männerdominierten Branchen noch immer konfrontiert sind.

Ruth Markut-Kohl ist Projektleiterin für die Entwicklung von Prozesstechnologien bei der Firma Engel in Oberösterreich. Mit ihrem Team erforscht sie, wie man den Prozess des Spritzgießens, eine Technik zur Kunststoffverarbeitung, einfacher gestalten kann. Oder welche Aufgaben künftig die Maschine anstelle des Menschen macht. Die Ergebnisse münden vorwiegend in Autoteilen, als Stoßdämpfer oder Tank. Seit die Ingenieurin vor sechs Jahren in ihrer Abteilung angefangen hat, ist sie die einzige Frau. Doch sie wusste bereits, wie es ist, eine von wenigen Frauen zu sein.

Nebenbei Philosophie

Neben ihrem Interesse für Mathematik, Physik und Chemie sei ihr Vater, ein Pharmazeut, entscheidend gewesen, dass sie sich für das Studium der Technischen Chemie eingeschrieben hat. "Er erklärte mir von klein auf chemische Zusammenhänge. Das hat mich interessiert", sagt Markut-Kohl. Nebenbei inskribierte sie sich in Philosophie. "Aber der Ausflug in die Geisteswissenschaften hat mir gezeigt, dass ich eine Technikerin bin."

Nach dem Diplomstudium machte die Ingenieurin mit einem Femtech-Stipendium ein Doktorat am Institut für Werkstoffwissenschaften, das dem Institut für Maschinenbau unterstellt ist. Ihre Doktormutter: Sabine Seidler, heutige TU-Rektorin, die damals das Institut leitete.

Wenige Frauen

"Ich habe nie mehr als 20 bis 30 Prozent Frauenanteil an der Uni erlebt" , erzählt Markut-Kohl, die 1993 ihr Studium begann. Seither hat sich wenig verändert: Derzeit studieren rund 30 Prozent Frauen an der TU Wien. In Maschinenbau ist der Anteil mit zehn Prozent am geringsten.

Und: Je weiter es auf der wissenschaftlichen Karriereleiter hinaufgeht, desto weniger Frauen gibt es, zeigt der aktuelle Frauen- und Männerbericht der TU Wien. Gläserne Decke wird dieser Effekt genannt. Die 44-Jährige hat diese durchbrochen. Doch der Weg zur Projektleiterin in der industriellen Forschung sei nur mit viel Unterstützung möglich gewesen. So standen ihre Familie und ihr Mann, ein ehemaliger Studienkollege, hinter ihr: "Wenn Angehörige nicht zu der Entscheidung stehen, ist es für Frauen viel schwieriger", sagt Markut-Kohl. Das hänge auch mit gesellschaftlichen Bildern zusammen. "Bei Technikern denken alle an Nerds, die Dinge tun, die keiner versteht." Schon in der Schule sei das Bild gefestigt worden: "Ich traute mich nicht zu sagen, dass mich Mathe interessiert."

Anders behandelt

Und diese traditionellen Rollenbilder finden sich auch an der Uni. In ihrer Studienzeit hätten ältere Professoren Frauen noch anders behandelt. Bei einer Prüfung hätte einer zu einer Studienkollegin gesagt: "Frauen brauchen sich ja eh nur um Pferde und Kinder zu kümmern, mehr müssen sie nicht wissen." Unter den Studierenden sei das auch vorgekommen, aber seltener, sagt die Ingenieurin.

Hilfe, damit umzugehen, habe sie von ihrem Vorbild Sabine Seidler erfahren: "Ich habe gelernt, dass es eine Nebensächlichkeit ist, ob jemand Mann oder Frau ist, solange man gut ist in dem, was man tut." Daher solle man aufhören, zu hinterfragen, ob man etwas nur bekommen habe, weil man eine Frau ist, und den Fokus auf die eigenen Fähigkeiten legen.

Mentoring wichtig

Auch das Mentoring, das sie während ihres Doktorats an der TU hatte, war hilfreich, insbesondere für den Austausch. "Es baut Stress ab, wenn man merkt, man ist nicht alleine und es gibt noch andere Frauen, die Ähnliches erleben." Daher gründete Markut-Kohl in ihrer Firma eine Technikerinnenplattform. Denn: "Es ist schwierig, wenn man drei Monate mit keiner Frau außer der Assistentin spricht." Und es half ihr, ein Ziel zu verfolgen und ihre Karriere durchzuziehen.

"Beim Mentoring geht es auch darum, den Einstieg ins Berufsleben zu unterstützen", sagt Anna Steiger. Sie ist Vizerektorin für Gender und Personal an der TU Wien und selbst Mentorin. Den Frauen werde mitgegeben, selbstbewusst zu sein, ihr Licht nicht "unter den Scheffel zu stellen" und eine klare Vorstellung zu haben, was man verdienen möchte. "Wir versuchen mit unseren Maßnahmen die Strukturen zu verändern, dass sie für Frauen und Männer passen. Aufgrund der geringen Anzahl an Frauen ist es für viele immer noch schwierig – und die bekommen diese spezielle Unterstützung."

Sichtbarkeit ist wichtig

Steiger sei es auch wichtig, Formen der Diskriminierung anzusprechen, denn diese würde lange nicht wahrgenommen werden. Viele merkten etwa erst, wenn sie Mutter werden, dass die Gleichstellung noch nicht so weit sei. Ruth Markut-Kohl hat andere Erfahrungen gemacht. Nach elf Monaten Karenz stieg sie in die gleiche Position mit gleichen Aufgaben wieder ein.

Auch die Sichtbarkeit von Frauen sei wichtig, sind sich die beiden Frauen einig. Insbesondere in einer "konservativen Branche wie Maschinenbau", findet Markut-Kohl. Deshalb will sie jüngeren Kolleginnen zeigen, dass "man auch mit einem Doktor in Maschinenbau ein glückliches Leben führen kann". (Selina Thaler, 27.4.2019)