Foto: istock / ljubaphoto

Pro
von Guido Gluschitsch

Es stimmt schon. Ich bin nicht der gute der beiden Söhne, die meine Mama hat. Ich lass mich nur alle paar Monate sehen, rufe so gut wie nie an und weiß keine Antwort, wenn die Mutter meiner Frau fragt – die beiden telefonieren fast täglich-, wie es denn der meinen gehe. Das ist aber nicht der Grund, warum ich hier für den Muttertagsboykott schreibe.

Es hat sich sonst niemand getraut. Außerdem wird der Muttertag bei uns wirklich nicht gefeiert. Meine Mutter bestand immer darauf, dass der Tag an der gegenseitigen Beziehung nichts ändere.

Trotzdem dachte ich mir vor ein paar Jahren: "Undankbare Brut, pack ein Büschl Blumen und besuch deine Mutter!" Sie war nicht da. Meine Eltern sind nach Italien gefahren. Muttertag sei eine gute Reisezeit, wenn man die Aussichtswirtn auslässt.

Ich wollte mir für diesen Text trotzdem ihren Segen holen. Ich hab sie nicht erreicht. Ihr guter Sohn hat mir dann erzählt, dass meine Eltern sich bei ihm abgemeldet haben. Sie sind nach Italien gefahren.

Kontra
von Oona Kroisleitner

Zugegeben: Ich habe es nicht ganz gehalten. Jenes Versprechen, das ich in einem Volksschulgedicht anlässlich ihres Ehrentages meiner "lieben Mutter" gegeben habe. "So gut ich kann und allezeit will ich dir Froide machen", beteuerte mein jüngeres Ich darin.

Viele Gedichte erhielt meine Mama in den folgenden Jahren nicht mehr, das eine hat sie aber bis heute aufgehoben. Die meisten Treffen oder Telefonate, die wir miteinander haben oder führen, werden nicht von mir initiiert.

Und so manche Kollegin mahnt bereits, sie habe mehr Kontakt zu meiner Mama als ich. Da kommen Zweifel auf, ob für mich auch heute noch so klar ist wie einst behauptet: "Muttertage sind an allen Tagen."

Der Muttertag jedoch, da kann sich meine Mama sicher sein, ist der Tag, an dem ich anrufe. Jedes Jahr, manchmal etwas spät. Das reicht vielleicht nicht, aber dann hört sie auch heute noch: "Ich hab dich lieb das ganze Jahr, das wollte ich dir sagen." (RONDO, 10.5.2019)