Wien – Die Regierung hat ihr "Gewaltschutzpaket" in Begutachtung geschickt. Die Gesetzentwürfe des Justiz-, Sozial- und Innenministerium enthalten die teils umstrittenen Strafverschärfungen, einheitliche Anzeigepflichten für alle Gesundheitsberufe und eine verpflichtende Täterberatung bei häuslicher Gewalt. Letztere wird rund eine Million Euro kosten.

Die Gesetzesvorschläge des Justizministeriums und des Sozialministeriums werden nun bis 26. Juni begutachtet. Der Beschluss im Nationalrat ist im Herbst, das Inkrafttreten mit 1.1.2020 geplant. Ein Überblick über die geplanten Änderungen:

STRAFRECHT Eine Reihe von Strafdrohungen wird erhöht – und zwar teils gegen den Rat der in der "Task Foce" der Regierung beigezogenen Experten. So wird die Mindeststrafe für Vergewaltigung von einem auf zwei Jahre erhöht und eine gänzlich bedingte Strafe ausgeschlossen. Die Höchststrafe bleibt bei zehn Jahren. Die schon bisher geltenden erhöhten Strafen bei Gewalttaten gegen unmündige Personen gelten künftig auch bei außergewöhnlich brutalen Taten oder bei solchen gegen besonders schutzbedürftige Personen. Und fortgesetzte Gewaltausübung gegen Unmündige wird künftig mit ein bis zehn Jahren (statt sechs Monaten bis fünf Jahren) Haft bestraft.

Bei der Verhängung von Strafen wird die schwere Traumatisierung des Opfers als "Erschwerungsgrund" gewertet. Um die Hälfte erhöhte Strafen soll es für rückfällige Gewalt- oder Sexualtäter geben (maximal aber 20 Jahre). Außerdem droht nach Gewalt- oder Sexualstraftaten gegen Kinder, gebrechliche oder behinderte Menschen ein lebenslanges Berufsverbot in einschlägigen Betreuungsjobs. Straferleichterungen für junge Erwachsene werden Gewalt-, Sexual- oder Bandendelikten mit fünf Jahren Strafdrohung gestrichen. Für Stalker, die ihr Opfer ein Jahr lang verfolgen, wird der Strafrahmen von einem auf drei Jahre erhöht, auch die unerwünschte Veröffentlichung von Nacktfotos wird verboten.

OPFERSCHUTZ Wer eine Entschädigung für Schmerzensgeld nach dem Verbrechensopfergesetz beantragt, muss das binnen zwei Jahren nach der Tat tun. Für minderjährige Opfer wird diese Frist nun auf drei Jahre verlängert. Außerdem beginnt sie erst nach Abschluss des Strafverfahrens zu laufen (und nicht mit dem Tatzeitpunkt). Auch die sonstige Antragsfrist für Leistungen aus dem Verbrechensopfergesetz wird von zwei auf drei Jahre verlängert. Opfer von Wohnungseinbrüchen können zudem Krisenintervention und Psychotherapie beantragen, die ansonsten nur bei vorsätzlichen Gewaltdelikten gewährt werden. In Summe soll das 600.000 Euro kosten. Änderungen gibt es auch bei Schadenersatzklagen gegen die Täter: die 30-jährige Verjährungsfrist beginnt bei Sexualdelikten erst mit dem 18. Geburtstag des Opfers zu laufen.

BETRETUNGSVERBOT Schon jetzt können Gewalttäter aus der gemeinsamen Wohnung verbannt werden (§38a Sicherheitspolizeigesetz). Neu ist, dass ein solches "Betretungsverbot" automatisch auch ein Annäherungsverbot auf 50 Meter bedeuten soll – auch wenn sich die solcherart geschützte Person außer Haus bewegt. Außerdem sind verpflichtende Gewaltpräventionsberatungen durch vorgesehen. Letztere sollen eine Million Euro jährlich kosten.

FALLKONFERENZEN Die im Vorjahr unter Protest der Opferschutzeinrichtungen abgeschafften "Fallkonferenzen" mit der Polizei werden wieder eingeführt und in Sicherheitspolizeigesetz (§22) und Strafprozessordnung (§76) geregelt.

ANZEIGEPFLICHT Die Anzeigepflicht wird für alle Gesundheitsberufe inklusive Hebammen und Heilmasseure einheitlich geregelt. Den Verdacht auf einen Mord oder eine schwere Körperverletzung müssen Ärzte schon bisher melden, hier gilt ihre Schweigepflicht also nicht. Nun wird explizit verankert, dass auch der begründete Verdacht auf eine Vergewaltigung angezeigt werden muss sowie Misshandlung, Quälen, Vernachlässigung oder sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Ausnahmen gibt es, wenn die Anzeige das für die Behandlung nötige Vertrauensverhältnis zerstören würde oder wenn sich der Verdacht gegen einen Angehörigen richtet und das Jugendamt informiert wird.

NAMENSÄNDERUNG Eine Namensänderung für Gewaltopfer, die eine neue Identität brauchen, war schon bisher möglich. Künftig wird auch die Änderung der Sozialversicherungsnummer erlaubt. (APA, 16.5.2019)