Der Mann mit Hut ist der Firmengründer André Citroën.

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Die erste Baureihe, der Typ A 10 HP von 1919.

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Typ C (5 HP/5 CV, 1922)

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"Halbkette", 1924 auf der Croisière Noire in Afrika.

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"Gangsterlimousine" Traction Avant (1934)

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Eine echte Konstante seit Gründung der Marke 1919: der Doppelwinkel als Emblem.

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2CV (1948)

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Die DS (1955), die legendäre Göttin.

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1919, auf den noch rauchenden Trümmern jenes Europas, in dem gemäß der düsteren Ahnung des englischen Außenministers Edward Grey von 1914 die Lichter ausgegangen waren, gründete André Citroën (1878–1935) die gleichnamige Automobilmarke. Unter den alten Herstellern aus Europa und USA ist Citroën damit ein junger. Mit viel Tamtam, Sternfahrten und Oldtimertreffen feiert der Hersteller den 100er und sich selbst, wir schließen uns den Glückwünschen an.

1919 also. In jenen Tagen wies das Unterfangen, eine Automarke ins Leben zu rufen, auf altes Geld hin – oder auf Kriegsgewinnler. André Citroën zählte wohl eher zu Letzteren, er fabrizierte seit 1915 Artilleriemunition. Renault baute da mit dem FT17 gegen Kriegsende schon den womöglich besten Panzer des Waffengangs, Citroën hingegen lieferte 23 Millionen Schrapnellgranaten an die Front.

Henry Ford von Europa

Im Munitionswerk bekam André auch prominenten Besuch. Da war etwa dieser Herbert Hoover, den die jüngste Historiografie rund um seine führenden Tätigkeiten beim Belgischen Hilfswerk und der United States Food Administration als ganz besonders skrupellosen Geschäftemacher des Krieges demontiert. Des Geschickes Mächte hatten ihn zunächst in unmittelbare Nähe zu Präsident Wilson gerückt und schließlich, 1929, selbst zu einem solchen, dem 31., gemacht. 1931 erfolgte Citroëns Gegenvisite im Weißen Haus, man kannte sich ja. Hauptsächlich war er aber in den USA, um dort Fertigungsmethoden zu studieren, was ihm später den Ruf eines Henry Ford von Europa einbrachte.

Doch wir greifen voraus. 1919. Was anfangen mit der Fabrik, wo doch keine Granaten mehr gebraucht wurden? Warum nicht dies, zumal André ohnehin schon 1917 mit dem Gedanken schwanger gegangen war: Autos bauen. Die Geburtsstunde für den Typ A.

Entwickelt vom Konstrukteur Jules Salomon, eben seit 1917 bei Citroën tätig, steht hier ein putziges Mobil vor uns, das heute mit unter vier Metern Länge als offener Kleinwagen bezeichnet würde. Für Vortrieb sorgte ein 1,3-Liter-4-Zylinder mit 18 PS und, ein starkes Argument, ein Elektro-Starter. Hinweg mit der Kurbel.

Was folgte, war ein Säkulum voller avantgardistischer Höhepunkte der Automobilgeschichte – vieles davon steht bis heute unter akutem Genialitätsverdacht –, aber auch bitterer Niederlagen. Die beiden schlimmsten: 1975 wurde die stolze Marke von Peugeot geschluckt, daran laborieren die Doppelwinkler noch heute, und sukzessive musste der herrlich nonkonformistische Technik- und Designansatz kühlen kostenrechnerischen Aspekten weichen.

Stichwortgeber Goethe

Goethe meinte einmal zu Caroline Herder: "Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen." Direkt daran angelehnt scheint Citroëns langjähriger Werbeslogan Der Weg ist das Ziel – Kritiker und Lästerer machten draus in der Zeit des Niedergangs, des dräuenden Untergangs: Weg ist das Ziel. Heute steht die Marke wieder blendend da, hat beim Design sogar so was wie Semi-Extravaganz gefunden, ist aber technisch eindeutig Mainstream.

Dazu kann man stehen, wie man will, eine echte Konstante gibt es aber seit dem Bestehen der Marke 1919: den schon angesprochenen Doppelwinkel als Emblem. Dessen allererste Ausformung sehen Sie nebenan, heute macht er auf 3D-Effekt.

Kenner wissen, wo das markante Symbol herrührt – nein, wiewohl André Freimaurer war, handelt es sich nicht um ein masonitisches Symbol, auch um keinen doppelten Zirkumflex, sondern es stammt aus dem "ersten" Leben der Firma und hat mit Zahnrädern zu tun. 1900, auf einer Reise nach Polen, Herkunftsland seiner Mutter (Masza Amalia Kleinmann; Andrés Vater war der in Amsterdam arbeitende belgische Juwelier Levie Citroën), erwarb André das Patent eines Herstellungsverfahrens, bei dem es um Pfeilverzahnungen für Zahnräder ging – fertig war der Doppelwinkel. Den Krieg durchtauchte dieser quasi im Unterbewusstsein, im Bewusstsein tauchte er '19 als Logo der Autofirma auf. Gekommen, um zu bleiben.

Frankreichs Autobranche lief in der Zwischenkriegszeit zu neuer Hochform auf, es gab sogar prominente Beute: Bugatti war von einer deutschen zu einer französischen Marke geworden, man hatte ja umgehend Elsass (wo Bugatti, in Dorlisheim, nahe Straßburg, ansässig war; heute im benachbarten Molsheim) und Lothringen okkupiert.

Dynamisches Umfeld

In diesem dynamischen Umfeld probierte Firmengründer André ganz neue Ideen aus, um seiner Firma rasch zu Bekanntheit und Geschäftserfolg zu verhelfen. So begab man sich mit der seit 1920 gebauten "Halbkette" – wir erinnern uns: Erster Weltkrieg, erste Panzer -, Adolphe Kégresse konstruierte den Raupenantrieb (weshalb das Fahrzeug auch gern Kégresse-Halbkette genannt wird), auf große Tour(en) quer durch Afrika.

1922 erstmals, dann 1924: Als Initiator der berühmten Croisière Noire (Schwarze Kreuzfahrt) war Citroën mit acht Halbketten beteiligt, 28.000 km weit ging es die Kolonien von Algerien runter nach Timbuktu und von dort rüber bis nach Madagaskar. Weitere legendäre Ausritte folgten: Beirut bis Peking inklusive Himalaja-Überquerung (1931-32), Alaska (1934).

Als Expeditionen waren sie ein Erfolg, als Marketingprojekt noch mehr, der Mythos war geboren – aber der Firmengründer bald darauf tot, 1935. Da war eines der vielen Meisterwerke schon auf der Straße, der Traction Avant alias "Gangsterlimousine", gebaut 1934 bis 1957. Die Bezeichnung zeigt, dass Citroën auch zu den Pionieren des Frontantriebs zählte.

Was einem als Ingenieurleistung bei Citroën aber zuallererst einfällt, ist die Hydropneumatik, die endgültig zu Bekannt-, ja Berühmtheit kam in wohl dem Glanzlicht der Markenhistorie, der Göttin, DS (1955-1975). Luxus macht auf Avantgarde. Auf der praktischen Seite des Lebens findet sich der Wellblech-Kleinbus Typ H (1947), am unteren Ende der Preisskala der 2CV vulgo "Ente" (1948), und als letztes eigenständiges Modell vor der Peugeot-Übernahme versuchte der CX 1974 die DS-Tradition der ganz und gar andersartigen Luxuslimousine fortzuführen. Und jetzt nochmal Prosit, Citroën – auf die nächsten 100! (Andreas Stockinger, 24.5.2019)