18 Sensoren trägt Felix Köstlbacher am Körper. Mithilfe eines speziell für die Pilotfabrik Wien-Aspern entwickelten Programms geben sie Aufschluss über die Belastung bei diversen Arbeitsschritten.

Regine Hendrich

TU-Professor Sebastian Schlund (li.) und Michael Heiss, der bei Siemens Österreich für die digitale Fabrik zuständig ist, mit einem gemeinsam entwickelten Cobot, einem kollaborativen Roboter.

Regine Hendrich

Auf dem Boden heller Putzbeton, wie er da und dort auch im Wohnbau Einzug gehalten hat. Von der Decke fällt kaltes Licht. Zwischen den Lichtquellen eine Kamera mit Sensoren. Die Wände dieser besonderen Fabrik in Wien-Aspern sind nichts Besonderes, wie auf den ersten Blick alles hier als nichts Besonderes erscheint. Maschine reiht sich an Maschine – wie in jeder x-beliebigen Fabrik. Und Bildschirme sind inzwischen auch schon in jeder Produktionshalle zu finden.

Das Technologiezentrum Seestadt an der neuen Entwicklungsachse der Bundeshauptstadt Richtung Norden ist dennoch keine herkömmliche Fabrik. Es ist ein Ort, an dem unter einer Art Glassturz Industrie 4.0 probiert, trainiert und experimentiert wird. Wo aber sind die vielen Computer, die man mit einer Fabrik der Zukunft als Allererstes in Verbindung bringt?

"Die sieht man nicht, die sind eingebaut", sagt Michael Heiss. "Es gibt kein einziges Teil hier, in dem nicht irgendwo ein Prozessor drinsteckt." Wie zur Unterstreichung hebt Heiss den rechten Zeigefinger und macht eine 360-Grad-Bewegung.

Zwei Dutzend Unternehmen

Der gebürtige Salzburger, der an der Technischen Universität (TU) Wien in Elektrotechnik abgeschlossen hat, ist bei Siemens Österreich verantwortlich für alles, was mit digitaler Fabrik zu tun hat. Somit fällt auch die Pilotfabrik auf den Asperngründen in seine Zuständigkeit. Siemens ist eines von zwei Dutzend Unternehmen, die sich vor nunmehr drei Jahren zum Aufbau der Pilotfabrik zusammengefunden haben. Vorausgegangen ist eine Ausschreibung des Infrastrukturministeriums. Zuständiger Minister war damals Jörg Leichtfried (SPÖ). Von Beginn an mit dabei: Die TU Wien, genauer gesagt drei Institute der technischen Uni, nämlich das Institut für Konstruktionswissenschaften und Technische Logistik, das Institut für Fertigungstechnik sowie das Institut für Managementwissenschaften.

40 Prozent "Spinnertes"

"Wir bekommen schnell und relativ viele Rückmeldungen", sagt Sebastian Schlund, Leiter des Forschungsbereichs Human Centered Cyber Physical Production and Assembly Systems am Institut für Managementwissenschaften. Man forsche industrienah, passe sich aber nicht zu hundert Prozent an die Vorgaben der Industrie an. "Wir sollten schon versuchen, noch einmal 40 Prozent 'Spinnertes' oben drauf zu packen, von dem die Hälfte nicht funktioniert. Sonst wäre es ja keine Forschung," sagt der Uni-Professor bestimmt.

Plötzlich setzt sich ein Roboterarm in Bewegung, holt aus einem Schweißautomaten ein Metallteil und füttert die Fräse damit. Sauggeräusche sind zu hören, dann ein leichtes Hämmern – Lärm wie in einer herkömmlichen Fabrik. Einen großen Unterschied, der erst nach und nach sichtbar wird, gibt es: Hier sprechen auch die Maschinen miteinander. Über binäre Codes, mittels Nuller und Einser, werden Informationen über WLAN hin- und hergeschickt.

Eine Maschine weiß, was die andere gemacht hat und was noch zu tun ist – zumindest im Idealfall. "Manchmal gibt es Verständigungsschwierigkeiten wie bei den Menschen", sagt Siemens-Mann Heiss. Maschinen, die zwar dieselbe Sprache sprächen, die Bedeutung aber nicht bis ins letzte Detail verstünden. "Was wir hier tun, ist, das Ganze mit den Industriepartnern ständig zu optimieren", sagt Uni-Professor Schlund. Gezeigt wird dies anhand eines 3D-Druckers.

Einladung an Kleinere

Der Aufbau der Pilotfabrik hat 3,5 Millionen Euro gekostet, finanziert je zur Hälfte vom Infrastrukturministerium und den teilnehmenden Firmen. Das Gebäude, in dem die Pilotfabrik untergebracht ist, gehört der Wiener Wirtschaftsagentur. Sie hat die Räumlichkeiten drei Jahre mietfrei gestellt. Neben Wien sind noch Pilotfabriken in Graz und Linz im Aufbau. Sie sollen irgendwann virtuell zusammengeschlossen werden.

Die in der Fabrik gemachten Erfahrungen kommen allen Beteiligten zugute. Nun soll der Glassturz ein Stück weit gehoben werden mit dem Ziel, insbesondere auch KMUs (klein- und mittelgroße Unternehmen) einzuladen, nicht zuletzt aus Wettbewerbsgründen die Digitalisierung in ihrem Betrieb voranzutreiben. (Günther Strobl, 21.5.2019)