Julia Pazmandi entwickelt VR-Anwendungen, um seltene Krankheiten besser zu erkennen.

Foto: LBI-RUD

Alle vier Sekunden wird in Europa ein Kind mit einer seltenen Krankheit geboren. Anders als der Name vermuten lässt, sind diese Krankheiten gar nicht so rar: Zählt man die verschiedenen Typen zusammen, betreffen sie weltweit eine von 20 Personen. In Österreich geht es schätzungsweise um 50.000 Kinder und Jugendliche.

Meistens werden diese Krankheiten von Mutationen eines einzelnen Gens ausgelöst, sagt Julia Pazmandi, Doktorandin in der Gruppe von Kaan Boztug am Forschungszentrum für Molekulare Medizin CeMM der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases, kurz LBI-RUD. "Es dauert aber normalerweise Jahre, bis man die richtige genetische Diagnose und eine passende Therapie gefunden hat", so Pazmandi.

Um nicht die Orientierung zu verlieren, nahm sich das interdisziplinäre Team Science-Fiction-Filme zum Vorbild: "Helden in Filmen wie "Minority Report" benützen futuristische Methoden, um Informationen als Hologramm vor ihren Köpfen einzublenden", sagt Pazmandi. "Wir versuchen mit unserer Methode etwas Ähnliches."

Das Team aus Datenwissenschaftern, 3D-Designern und Medizinern, das vom Bioinformatiker Jörg Menche geleitet wird, entwickelt die Virtual-Reality-Plattform DataDiVR, mit der man biomedizinische Daten visualisieren und erkunden kann.

Falling Walls Lab

Das kann man sich in etwa so vorstellen: Mit einer VR-Brille auf dem Kopf und zwei Fernbedienungen in der Hand taucht man in eine virtuelle Welt ein, in der zunächst viele einzelne Punkte sichtbar sind. Zoomt man näher heran, sieht man, dass sie etwa den Namen verschiedener Gene tragen. Klickt man auf einen Punkt, erscheinen Verbindungen zu anderen Punkten, sprich anderen, zugehörigen Genen.

Auch kann man feststellen, mit welchen Krankheiten diese Gene assoziiert sind und spezifische Daten von einzelnen Patienten in das Programm laden. "Unser Ziel ist, dass ein erfahrener Arzt die einzelnen Punkte wortwörtlich verbinden und so visuell Daten erkunden kann, anstatt bloß Tabellen zu analysieren", sagt Pazmandi.

Ganze drei Minuten hatte Pazmandi Zeit, um die Fachjury bei der österreichischen Vorausscheidung des Falling Walls Lab von ihrem Projekt zu überzeugen. Sie setzte sich gegen 13 Bewerber durch, im November findet das Finale in Berlin statt. Ziel des internationalen Wettbewerbs ist es, Innovationen zu fördern und den Austausch zwischen Nachwuchsforschern und Fachleuten zu forcieren.

Seltene Krankheiten und computergestützte Methoden beschäftigt sie erst seit Kurzem. Pazmandi studierte zunächst molekulare Bionik in ihrer Heimat Ungarn. Bei ihren Zwischenstopps in Uppsala, Schweden, und am Imperial College London ging sie zur Molekularmedizin über und erforschte den Zusammenhang zwischen dem Gehirntumor Glioblastoma multiforme und einer ketogenen, also kohlenhydratarmen Diät.

Den Schritt in die Bioinformatik wählte sie bewusst: "Obwohl viele Leute die Arbeit im Labor lieben, kann ich das von mir nicht behaupten. Ich habe nach einer Veränderung gesucht und bin froh, dass ich nun nochmals ein neues Feld erkunden kann." (Katharina Kropshofer, 2.6.2019)