Die neue Kanzlerin Brigitte Bierlein wurde als "rechts von der Mitte" verortet. Wer mit ihr einmal länger plaudern konnte, hatte nicht den Eindruck einer verbissenen Rechten. Und Bierlein hat als Chefin des Verfassungsgerichts ganz klar im Sinne des liberalen Rechtsstaats Stellung bezogen: gegen ein Kopftuchverbot. Gegen präventive Sicherheitshaft. Gegen "Volksjustiz auf Facebook" nach dem Modell von Karoline Edtstadler. Für Medienfreiheit.

Alles ein unmissverständliches Kontrastprogramm zu Türkis-Blau. Der neue Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner hat als Präsident des Verwaltungsgerichtshofes im Jahr 2000 gemeinsam mit 200.000 anderen auf dem Heldenplatz gegen die erste schwarz-blaue Koalition demonstriert. Und hat gleichzeitig dieser Regierung als Vorsitzender jener Historikerkommission gedient, die den größten Raubmord der Weltgeschichte, den "Vermögensentzug" durch die Nazis, aufzuarbeiten hatte.

Außenminister Alexander Schallenberg kommt aus adeligem Haus, der Vater war schon hoher Diplomat. Er hat drei sehr verschiedenen ÖVP-Außenministern – Plassnik, Spindelegger und Kurz – als enger Berater gedient. Kurz holte ihn ins Kanzleramt und gab ihm das Europa-Dossier, das er Karin Kneissl nicht überlassen wollte. Schallenberg ist loyal, aber hat sich einen eigenen Kopf bewahrt.

Hochbürokratie

Alle drei Persönlichkeiten sind Vertreter des österreichischen, um nicht zu sagen, altösterreichischen Beamtenethos. Eine Hochbürokratie, die dafür sorgt, dass die Blödheiten und Leidenschaften der politischen Besetzungen nicht zu viel Schaden anrichten. Man kann alle drei als "bürgerliche Liberale" bezeichnen, Bierlein und Schallenberg etwas konservativer, Jabloner etwas liberaler. Sie entstammen dem Bildungsbürgertum – Bierlein liebt zeitgenössische Kunst, Jabloner die Oper, Schallenberg historische Werke – und haben mit Vulgaritäten wie Ibiza aber überhaupt nichts am Hut. Aber auch das Stammesdenken der Kurzianer ("Alles Rot muss raus") ist ihnen fremd.

Deswegen hat sie der Bundespräsident ausgesucht. Sie sollen das Funktionieren des Staates in einer (recht langen) Übergangszeit garantieren und zeigen, dass es auch anders geht als mit dem üblichen Radau und der Hysterie der österreichischen Politik.

Können wir sie nicht behalten? Dieser Wunsch taucht relativ häufig in den Internetforen des STANDARD auf. Konkret: Den Neuwahlbeschluss, den das Parlament noch fassen muss, einfach lassen? Nein, das geht nicht. Ungewählte Expertenregierungen können nur die Ausnahme sein (auch wenn sie von einer Mehrheit im Nationalrat geduldet werden). Auf Dauer muss ein Regierungschef durch Wahlen legitimiert werden. So zufrieden die meisten mit der jetzigen Besetzung sind (wobei ja die Mehrzahl der Minister noch aussteht) – was wäre, wenn ein anderer Bundespräsident etwa einen rechten General oder einen schlagenden Burschenschafter als Kanzler eingesetzt hätte?

Aber eines zeigen Bierlein, Jabloner und Schallenberg schon: Es gibt ein Österreich der qualitätsvollen Persönlichkeiten, abseits von den Blendern, Schreihälsen, Parteifunzis, Inkompetenzkönigen und Korruptionssüchtlern. Man sollte öfter auf dieses Österreich zurückgreifen. (Hans Rauscher, 31.5.2019)