Daniel Abt: "Die meisten in der Firma haben am Anfang gelacht und gemeint: Das hat doch mit Motorsport nichts zu tun."

Foto: Audi Communications Motorsport / Michael Kunkel

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ELO: Die Familie Abt hat seit Generationen "Benzin im Blut". Ein Engagement in der Formel E ist für ein Unternehmen wie Abt Sportsline, das man zuallererst mit PS-starken Verbrennungsmotoren assoziiert, eher ungewöhnlich. Wie kam es dazu?

Daniel Abt: Natürlich sind wir mit Verbrennern groß geworden. Aber als Firma muss man offen für neue Möglichkeiten und Technologien sein. Mein Vater war immer schon ein Pioniergeist und hat von Anfang an und lange, bevor die Formel E entstand, an die Elektromobilität geglaubt. Da wir uns in der Firma stark mit dem Thema beschäftigt und selber Autos elektrifiziert haben, war die Formel E eine tolle Möglichkeit.

ELO: Wie kamen Sie zur Formel E?

Abt: Für mich war das ein sehr glücklicher Zeitpunkt. Ich fuhr damals Formel 2, hatte dort zwei überschaubare Jahre und wusste nicht so recht, wo es mit meiner Motorsportkarriere hingehen soll. Insofern kam der Einstieg von Abt in die Formel E vom Zeitpunkt her perfekt. Auch wenn damals keiner wusste, ob das überhaupt Sinn macht und ob es das Richtige ist, war es eine große Chance, mich auf einem neuen Feld zu betätigen und vielleicht in dem Moment auch, um meine bisherige Karriere zu rehabilitieren.

ELO: Gab es in der Firma auch Konflikte wegen des Einstiegs in die Formel E, oder haben da alle an einem Strang gezogen?

Abt: Es gab damals fast niemanden, der für die Formel E war. Die meisten haben gelacht und gemeint: "Was macht ihr denn da jetzt für einen Zirkus? Das hat doch mit Motorsport nichts zu tun. Sind euch die Ideen ausgegangen?" Am Anfang war da viel Widerstand. In der Motorsportszene war die Formel E überhaupt nicht anerkannt, sondern total verrufen. Umso schöner war es, zu sehen, wie schnell sich die Meinung dann gedreht hat. Heute wird die Serie von den meisten respektiert. Gefühlt will jeder mit dabei sein.

ELO: Ist es zulässig, Formel 1 und Formel E miteinander zu vergleichen? Oder ist das eine Themenverfehlung?

Abt: Letzteres. Das sind so unterschiedliche Konzepte und Herangehensweisen, was den Sport an sich angeht. Man muss das nicht vergleichen, man kann beides leben lassen und auch beides lieben. Es ist ja auch bei mir nicht so, dass ich, seit ich Formel-E-Fahrer bin, die Formel 1 nicht mehr mögen würde. Ich bin Motorsport-Fan. Mich interessieren daher andere Rennserien genauso. Ich schau mir jedes Rennen an. Aber die Formel E hat sich eben auch bewiesen und ist heute eine der anerkanntesten Rennserien im Motorsport. Wer hätte das am Anfang gedacht?

ELO: In der Formel E spielt Taktik eine wichtige Rolle. Das Batteriemanagement ist komplex, es gibt z. B. Energierückgewinnung, wenn man bremst, die Rekuperation. Viele finden, das mache den Reiz dieser Rennserie aus. Anderen ist es zu kompliziert. Was denken Sie?

Abt: Am Ende des Tages liegt der Reiz beim Motorsport darin, dass es eng hergeht, dass es harte Kämpfe um den Sieg und die Platzierungen gibt. Wenn Entertainment und Racing gut sind. In der Formel E ist das der Fall, was auch dem Energiemanagement geschuldet ist: Man kann nicht klassisch Vollgas fahren, sondern es spielen viele Themen hinein, die auch strategischer Natur sind. Am Anfang war das schon etwas, das man lernen musste, weil man gewohnt war, Vollgas zu geben. Auf einmal musst du auf Energiethemen achten, wie die angesprochene Rekuperation. Aber man gewöhnt sich da relativ schnell dran. Mittlerweile ist es längst zur Routine geworden, man hat es verinnerlicht.

ELO: 2019 hat viele Reglementänderungen mit sich gebracht. Können Sie die einem Laien erklären?

Abt: In erster Linie haben wir ein komplett neues Auto, das sich von allem, was man zuvor gesehen hat, abhebt: Sehr eigenständig in der Optik, futuristisch im Design. Wir haben stärkere Motoren, eine leistungsfähigere Batterie, die doppelt so viel Kapazität hat wie noch im Vorjahr. Dazu kommt der "Attack Mode" – eine Extraleistung, die man abrufen kann, wenn man auf der Rennstrecke über eine bestimmte Fläche fährt. Insgesamt war das die größte Änderungswelle der Formel E seit ihrer Entstehung. Schön zu sehen, in welche Richtung es geht.

ELO: Sie lassen Ihre Fans sehr nahe an sich ran. Man sieht Sie am Renntag Spielkonsolen unterschreiben und Sie betreiben einen YouTube-Channel. Genießen Sie diese Öffentlichkeit?

Abt: Ich fand es immer wichtig, den Leuten zu zeigen, wer man ist, was der Sport, den man betreibt, was das ganze Drumherum bedeutet. Mit einer Fernsehübertragung, die zehn Minuten vor dem Start einsetzt, wenn alle schon den Helm aufhaben, ist das unmöglich. Da sehen die Leute nicht, wer die Menschen unter den Helmen sind. Da war was zu tun, fand ich. Mir ist das immer schon leichtgefallen und ich hab es auch immer gern gemacht. Die Leute abzuholen und auf eine Reise hinter die Kulissen mitzunehmen, macht mir großen Spaß.

ELO: Sie profitieren aber auch vom Fanboost, der zusätzlichen Energie, die mittels Online-Voting an fünf Piloten vergeben wird.

Abt: Nur für den Fanboost würde ich mir nicht so viel Arbeit antun. Es geht darum, Leute für sich und die Marke Audi zu begeistern, die Formel E und alles, was da im Umfeld passiert.

ELO: Wie lange wollen Sie noch fahren?

Abt: Jedenfalls nur solange es mir wirklich Spaß macht. Festlegen will ich mich nicht, aber wahrscheinlich drei, vier gute Jahre noch. Denn so sehr ich den Motorsport liebe, dann wird es auch Zeit, dass ich mich nach etwas anderem umschaue. Das Leben bietet noch viele schöne Dinge. Das Schwierigste am Job eines Rennfahrers ist: Man hat keinen geregelten Alltag, ist ständig unterwegs und lebt aus dem Koffer. Da kommt das Privatleben zu kurz. Irgendwann muss man sich entscheiden, ob man das so weiterhaben will oder ob man nicht wieder anders leben möchte.