Drei Metronome geben in "Borborygmus" den Takt vor.

Foto: Bobby Rogers

Am Anfang beginnt ein Metronom zu ticken. Ein weiteres steigt ein, noch eins. Sie klicken versetzt, geraten dann doch in einen Rhythmus und wieder heraus. Am Ende verspeist die Darstellerin sich vor unser aller Augen verbal selbst. Sie zermahlt sich zwischen den Zähnen, löst sich im eigenen Magensaft auf, verdaut sich zu einem Stück Kot. Zum ruhigen Atmen einer Ziehharmonika gerät die detaillierte Beschreibung erfreulich plastisch.

Dazwischen erzählt Borborygmus bei den Wiener Festwochen von Beirut. Vom Aufwachsen mit einem Vogel, vom Nippen an Vaters Whiskey und von Freunden, die vor dem Krieg aus dem Libanon nach Frankreich oder sonst wohin flohen und die man darum beneidete. Das alles geschieht in bruchstückhaften Szenen. Besonders schlicht ist der Materialeinsatz auch, weil man im Theater Akzent ab der fünften Sitzreihe kaum mehr auf den Boden der Bühne sieht. Dass dort zusammengeknülltes Papier mittels kleiner vibrierender Teile zum Zittern gebracht wird, entnehme man dem Programmheft. Die Blätter werden später in einen Müllsack gestopft, der quietscht und knattert. Dass tatsächlich das Papier die Laute erzeugt, erschließt sich so nicht. Schade. Szenisch Eindruck machen vor allem das Licht und viel Stimme.

Bedrückung mit Schuss

Die drei in Berlin lebenden libanesischen Performer Mazen Kerbaj, Lina Majdalanie und Rabih Mroué trinken aus Plastikstamperln auf Shakespeare, Marx und Palästinenser, auf das Theater und das Publikum. Die leeren Stamperln fliegen über die Schulter zurück und liegen bald so zahlreich auf dem Boden, dass mit jedem Schritt welche knackend zertreten werden. In der vorherrschenden Anstoßfreude schwingt etwas Bedrückung mit.

Borborygmus erzählt zu Opernmusik oder Gitarrenklängen vom Leben, ist dabei aber besessen vom Tod. Man hat Angst, im Alter misstrauisch und einsam zu werden. Freunde, Verwandte und Lehrer sterben an Herzinfarkten und Krebs sowie an Attentaten oder gehen im Krieg verloren. Der lange Konflikt im Mittleren Osten schiebt sich wiederholt in die arabische Suada und bildet geheime und traurige Höhepunkte. Vielleicht sucht man in ihnen zu Unrecht den besonderen Sinn des Abends. Poetisch schön lässt er nämlich auch Fragen offen. (Michael Wurmitzer, 5.6.2019)