Die Erfahrung des Ersten Weltkriegs floss in sein Werk ein: Nicholas Hoult spielt den "Herr der Ringe"-Erfinder John Ronald Reuel Tolkien. Ein Biopic, das sich zu sehr ans übliche Schema hält.

Centfox

Biopics sind keine Mangel ware im Kino, dabei sind die meisten noch nicht einmal besonders merkwürdig. Oft handelt es sich um Standardware im Oscarköder-Modus, die nur dann auffällt, wenn sich gröbere Schnitzer eingeschlichen haben (Hallo, "Bohemian Rhapsody"!). Auch Tolkien ist hier keine Ausnahme und business as usual. Ein paar Ecken und Kanten hätten es schon sein dürfen.

Es beginnt bei der Inszenierung von Dome Karukoski: Die ist überaus gediegen und versprüht gepflegte Langeweile. Dabei würde der Gegenstand ja einiges her machen. Das Leben des Vaters der modernen Fantasy (gespielt von Nicholas Hoult), ohne dessen Einfluss heute kaum die entsprechenden Bücher, Serien, Filme, Video- und Brettspiele zu denken wären, ist der Stoff, aus dem auch auf regende Biopics gemacht sind.

Herkunft aus bescheidenen Verhältnisse, früher Tod der Eltern, Hochbegabung, eine lebenslange Bromance mit ein paar Burschen sowie eine herzzerreißende Romanze; Dienst in den Grabenkämpfen des Ersten Weltkriegs, eine große Karriere als Philologieprofessor und selbstverständlich Autor von unzähligen Gedichten, Essays, Büchern etc.

FoxSearchlight

Vereinzelt zeugen Sequenzen vom verschenkten Potenzial: Wenn in nebelverhangenen und leichenübersäten Horrorfeldern ein Drachenkopf, der Flammen speit, zu einem Flammenwerfer mutiert und sich aus schwarzem Rauch die Umrisse von dunklen Reitern – also den Nazgûl – bilden, weiß man, was die Kriegserfahrung mit den Schlachten in Mittelerde zu tun hat.

Gerade ein Film, der die Biografie Tolkiens derart verbissen nach Spuren absucht, die sein Werk beeinflussten, hätte mit solchen Genresujets nicht so sparsam umgehen müssen. Er hätte den durch Peter Jackson mitgeprägten Motivfundus der Tolkienverse stärker anzapfen und sich aufs verallgemeinerte Fanwissen verlassen können.

Braves Abspulen sämtlicher Lebensstationen

Stattdessen werden brav sämtliche Lebensstationen – bis zum ersten Satz des Hauptwerks – im Schnelldurchlauf abgeklappert. Das wirkt wie die oberflächliche Verfilmung des Wikipedia-Eintrags über den Autor, weniger wie die Geschichte von der Entstehung eines Nährbodens fürs Nerdtum. Bevor beispielsweise Gene Roddenberry Klingonisch oder George R.R. Martin für "Game of Thrones" die Sprache der Dothraki sowie allerlei Nerdig-Neomythologisches erfunden haben, zeichnete Tolkien unter anderem fürs Elbische verantwortlich.

Obwohl Sprache im Leben des Autors einen zentralen Stellenwert eingenommen hat, finden sich im Film gerade einmal zwei Szenen, die sich intensiver damit befassen und dabei recht oberlehrerhaft daherkommen. Minicrashkurse in Linguistik, in denen Sätze fallen wie: Das Nationale, Kulturelle und Persönliche kristallisiert sich in der Sprache heraus; Sprache ist das Lebensblut eines Volkes bzw. gar die Vermählung von Geräusch und Bedeutung. Ja, eh, oder: Nein, danke. Dem Philologieprof hätte es wahrscheinlich gegraust.

Das alles aber macht "Tolkien" nicht unbedingt übel. Übers Übliche geht er aber auch nicht hinaus. (David Auer, 21.6.2019)