Der Ausbau des Streckenetzes im Bikepark Brandnertal ruft Kritiker auf den Plan, deren Argumente nicht ganz stichhaltig sind.

Foto: Bikepark Brandnertal / Michael Marte

Neben angelegten Bikeparkstrecken, setzt man beim Ausbau vor allem auf naturnahe Trails.

Foto: Bikepark Brandnertal / Michael Marte

Bludenz – Der Bikepark Brandnertal gilt in der Mountainbikeszene als Kleinod mit besonderem Charme. Waren die Strecken bisher eher versierten Downhillern und Freeridern vorbehalten, so plant man nun im Zuge der Erweiterung, das Trailnetzwerk um ein Angebot für Einsteiger und Familien zu ergänzen. Doch diese Ausbaupläne rufen Gegner auf den Plan, die unter dem Vorwand des Naturschutzes gegen das Vorhaben mobil machen. An der intensiven Winternutzung als Skigebiet scheint sich indes niemand zu stoßen.

So wird das Trailnetzwerk im Bikepark Brandnertal nach der Erweiterung aussehen.
Foto: Bikepark Brandnertal

Für die Betreiber des Bikeparks kommt der Widerstand nicht ganz unerwartet. Man hatte von Beginn an mit Gegenwind zu kämpfen, erzählt Geschäftsführer Philipp Kettner: "Es ist eine kleine, aber sehr gut vernetzte Personengruppe, die Stimmung gegen uns macht." Er vermutet, dass es dabei weniger um ökologische Vorbehalte als um grundsätzliche Aversionen gegen Mountainbiker geht. Denn man tue, was möglich sei, um Eingriffe in die Natur für die Bikestrecken so gering wie möglich zu halten.

Im Vergleich zum Bild oben hier die Winternutzung im selben Gebiet.
Foto: Bergbahnen Brandnertal

An der Spitze der Gegnerschaft steht der Alpenschutzverband Vorarlberg, der eine eigene Onlinepetition gegen die Bikepark-Erweiterung gestartet hat. Obmann Franz Ströhle sagt, es gebe für ihn mehrere Gründe, warum die Ausbaupläne abzulehnen seien. "Es ist ein naturzerstörerisches Projekt, das im Lebensraum von Auer- und Birkwild umgesetzt wird." Zudem seien Moore und Magerwiesen betroffen. Dass die Bezirkshauptmannschaft Bludenz dennoch grünes Licht für Ausbau gegeben habe, sei für ihn unverständlich.

Vorurteile statt Argumente

Die Genehmigung für das Projekt wurde trotz negativen Naturschutzgutachtens nach einer sogenannten Gemeinwohlabwägung erteilt. Die Behörde sah den allgemeinen Nutzen des Ausbaus als gegeben an, wertete ihn höher als die Bedenken des Naturschutzes und gab daher ihr Okay. Für Ströhle ein Affront, weil damit wirtschaftliche Interessen über jene des Naturschutzes gestellt würden. Bikepark-Geschäftsführer Kettner versteht zwar grundsätzlich die Vorbehalte: "Aber viele der vorgebrachten Argumente stimmen so nicht."

Man baue die Strecken so naturnah wie möglich, ohne Einbringung von Fremdmaterial. Der Trailverlauf orientiere sich an bereits bestehenden Lifttrassen, Skipisten und Forstwegen. "Und wir leisten umfangreiche Kompensationsmaßnahmen für den Bau", erklärt Kettner. Kritiker Ströhle stößt sich etwa an der geplanten "Rodung von mehr als sechs Hektar Wald" für die Erweiterung des Parks. Kettner entgegnet, dass nur gut 20 Bäume für die neuen Strecken gefällt und im Gegenzug 6.000 Bäume als Kompensationsmaßnahme aufgeforstet werden. Die Ruhegebiete des Wildes tangiere man ebenfalls nicht.

Hinsichtlich der Hochmoore, die die Gegner in Gefahr sehen, sagt Kettner: "Dort war bislang Wandergebiet, und die Feuchtareale wurden durch immer neue Trampelpfade, die sich die Leute gesucht haben, stark in Mitleidenschaft gezogen." Im Zuge der Trailerweiterung werden nun zwei Holzstege über dieses sensible Moor gebaut, die als Shared Trails auch den Wanderern dienen. Dadurch sollen die Feuchtgebiete entlastet und die Besucherströme auf die gebauten Stege gelenkt werden.

Politik unterstützt Gegner

Mittlerweile befasst sich auch die Vorarlberger Politik mit dem Thema. Denn die Petition des Alpenschutzverbands verlangt, dass die Bikepark-Erweiterung keinesfalls mit öffentlichen Geldern subventioniert werden dürfe. Naturschutzlandesrat Johannes Rauch (Grüne) unterstützt diese Forderung und begründet das so: "Nicht alles, was mit Radfahren zu tun hat, ist positiv. Dieses Projekt hat nichts mit Nachhaltigkeit oder sanftem Tourismus gemein." Daher plädiere er dafür, den Bikepark nicht zu fördern.

Dass auf den Loischkopf, wo die neuen Bikestrecken geplant sind, auch mehrere Seilbahnen für Wintersportler gebaut wurden, räumt Rauch zwar ein. Gegen Förderungen dieser Projekte spricht er sich wie auch alle anderen Gegner des Bikeparks aber nicht aus. Ihn stört vielmehr, dass die neuen Trails in einem Gebiet des Berges geplant seien, das vom Wintersport bisher unberührt gewesen sei. Doch das stimme so nicht, entgegnet Kettner: "Der Trail führt zuerst entlang der Skipiste, quert dann entlang eines Forstweges den Wald, um dann wieder entlang der Skipiste zu verlaufen." Das sensible Ruhegebiet werde nicht tangiert.

Und überhaupt die E-Biker ...

Landesrat Rauch bleibt dennoch dabei, dass der Bikepark-Ausbau abzulehnen sei. Dass die Seilbahnen im Winter Variantenfahrer auf den Loischkopf bringen, die dann – anders als Mountainbiker – überall abfahren, sei zwar Realität. Aber er hoffe, dass ein solches Verhalten künftig stärker bestraft werde. Insgesamt kritisiert Rauch weiter, dass Mountainbiken "früher etwas für Sportliche" gewesen sei, aber nun wegen der E-Bikes zu viele Menschen auf den Bergen unterwegs seien, was zu einer Belastung werde. Den Einwand, dass klassische E-Biker nicht in Bikeparks fahren und hier zwei völlig verschiedene Dinge vermischt würden, lässt Rauch nicht gelten: "Auch die E-Biker sind dort unterwegs."

Insgesamt fällt bei genauerem Nachfragen auf, dass die Kritik an den Ausbauplänen des Bikeparks vor allem auf tradierten Vorurteilen gegen Mountainbiker beruht. Hinterfragt man Naturschutz-Argumente kritisch, werden alsbald klassische Vorbehalte aufgebracht. So behauptet Alpenschutzverbands-Obmann Ströhle etwa, dass Bikeparks eine "selbstmörderische Gefahr" für die Nutzer darstellen. Er berichtet von "80 Rettungseinsätzen pro Tag", und es seien sogar schon Querschnittsgelähmte zu verzeichnen gewesen – das habe man ihm im Krankenhaus in Bludenz erzählt. Ins gleiche Horn bläst eine Anfrage im Vorarlberger Landtag der SPÖ, die Ströhle für sein Anliegen gewinnen konnte. Auch darin wird eine genaue Auflistung aller Unfälle und Verletzungen im Bikepark gefordert.

Fakten statt Gerüchte

Geschäftsführer Kettner kann sich ob dieser Zahlen nur wundern: "Wir hatten in der gesamten Saison 2018 bei über 140.000 Fahrten im Bikepark insgesamt 93 Alarmierungen der Rettung." 19-mal sei der Notarzthubschrauber angefordert worden, was aber vor allem der Lage des Brandnertales und nicht der Schwere der Verletzungen geschuldet gewesen sei." Von Querschnittslähmungen nach Unfällen sei ihm bisher nichts bekannt, ein einziges Mal sei ein Beckenbruch passiert. "Das war die bislang schwerste Verletzung."

Woher die Vorbehalte Ströhles kommen, wird etwas klarer, wenn er über die Beeinträchtigungen für Wanderer spricht, die durch die Radfahrer verursacht würden. Ein "wunderschönes Wandergebiet" werde nun von Mountainbikern zerstört, so seine Kritik. Und er strapaziert ein weiteres Vorurteil, das längst durch zahlreiche Studien und die Empirie in erfolgreichen Bike-Regionen widerlegt wurde: "Da kommen nur junge Leute, die in ihren Kleinbussen schlafen und sich ohnehin kein Hotelzimmer leisten können."

Das Feindbild Mountainbiker

Im Laufe des Gesprächs werden mitunter auch Feindbilder vermischt. So seien Wanderer auf Forstwegen nicht mehr sicher, weil dort Familien auf Gokarts – "Kinder ohne Helm mit Affenzahn voran" – hinunterbrettern würden. Als Wanderer werde man regelrecht vertrieben. Mit der Erweiterung, kritisiert Ströhle, wolle man nun die Biker aus dem ganzen süddeutschen Raum anlocken, was das Problem noch vergrößere und zudem zu Verkehrsstaus im Tal führen werde.

Ob er sich auch gegen die Winternutzung in der Region starkmachen werde, die ganz ähnliche Probleme mit sich bringe? Ströhle verneint, denn die sei schon okay. Er sei in erster Linie gegen eine Mitfinanzierung des Bikeparks aus Mitteln des Landes. Gegen eine Mitfinanzierung der Wintersportinfrastruktur auf dem Loischkopf richte sich seine Petition allerdings nicht. Bislang laufe die Online-Unterschriftenaktion nur "sehr schleppend", beklagt Ströhle. Aber er plane Info-Stände in Bludenz, um weitere Unterschriften gegen die Förderung des Bikeparks zu sammeln.

Bestehende Infrastruktur nutzen

Dessen Geschäftsführer Kettner versteht die Verbissenheit seiner Kritiker nicht ganz: "Ich kann durchaus nachvollziehen, dass man als Naturschützer grundsätzlich Bedenken hat bei einem solchen Projekt. Denn es ist natürlich immer ein Eingriff in die Umwelt." Allerdings habe er das Gefühl, dass es hier weniger um den Naturschutz als um Widerstand gegen den Bikepark an sich gehe. Denn letztlich nutze man nur die bereits bestehende Wintersport-Infrastruktur und adaptiere sie so nachhaltig wie möglich für die Sommernutzung. Und zudem sei den Bikern achtsamer Umgang mit der Natur, die sie genießen wollen, ebenso wichtig wie Wanderern.

Der Bikepark Brandnertal ist eine eigene Firma, die Kettner mit einem Kompagnon gegründet hat und leitet. Er hat nichts mit der örtlichen Seilbahngesellschaft zu tun. Mittlerweile wurden elf Arbeitsplätze geschaffen, und die Seilbahn selbst stellt für den Sommerbetrieb mit den Bikern ebenfalls zusätzliches Personal an. Die geplante Erweiterung der Strecken wird aus einem Verbund von Bikepark, Seilbahn und den beiden Anrainergemeinden vorangetrieben. Man lukriere dank der radelnden Gäste mittlerweile nämlich eine erkleckliche Anzahl an Sommernächtigungen in der Region, sagt Kettner.

Dass im Fall der Bikepark-Erweiterung Naturschutzinteressen weniger wiegen als wirtschaftliche, ist aus der Entscheidung der Behörde abzuleiten und mit Recht zu hinterfragen. Genau das kritisiert Landesrat Rauch und verweist selbst auf das Grundsatzproblem, das dem zugrunde liegt. Aber den Bikepark, der ja tatsächlich in einem sensiblen Naturraum liegt, anzugreifen, ohne gleichzeitig auch die intensive Winternutzung im selben Gebiet anzusprechen, mutet eigentümlich an. (Steffen Arora, 3.7.2019)