Heiligkeit und Bissigkeit ergeben eine problematische Mischung – vor allem, wenn sie als fünf Meter langes Kraftpaket daherkommt.
Foto: Yusuke Fukuda

Freiburg im Breisgau – Osttimor steht vor einem Dilemma: Die Küstenzonen der jungen Republik gehören zum Verbreitungsgebiet des Salzwasser- oder Leistenkrokodils (Crocodylus porosus). Dieses drei bis fünf Meter lange Krokodil, das in Flüssen und Sümpfen ebenso zuhause ist wie im Meer, kann Menschen gefährlich werden – und tatsächlich haben Leistenkrokodile in den vergangenen Jahren vermehrt Menschen angegriffen, da ihre Population angewachsen ist.

Verehrung hat tiefe Wurzeln

Drastische Maßnahmen wurden bislang aber aus kulturellen Gründen nicht ergriffen: Dem Tier wird in Osttimor traditionell große Verehrung entgegengebracht, wie die Universität Freiburg im Breisgau berichtet. "Dass Krokodile heilig sind, geht auf den Gründungsmythos zurück. Ein kleiner Junge rettete ein Krokodil und gemeinsam gingen sie auf Reisen. Als das Krokodil starb, hat sich aus ihm die Insel Timor gebildet", erklärt Sebastian Brackhane von der Uni Freiburg den Hintergrund.

In vielen Gemeinden auf Osttimor bestehe dieser Glaube neben dem Katholizismus weiter. Die besondere Beziehung von Mensch und Tier zeige sich in vielfältiger Weise: "Es gibt zum Beispiel Rituale für die Salzwasserkrokodile, bei denen ihnen andere Tiere, zum Beispiel Schweine, geopfert werden. Auf nationaler Ebene haben die Fußballmannschaft und die größte timoresische Telekommunikationsfirma Krokodile im Logo", so Brackhane weiter.

Der hohe Stellenwert, der den Tieren beigemessen wird, hat auch seinen Teil dazu beigetragen, dass sie seit 2000 auch unter gesetzlichem Schutz stehen. Dass es inzwischen allerdings auch zunehmend um den Menschenschutz geht, ist ein klassischer Fall für ein ausgewogenes Wildtiermanagement. Forscher wollen daher auf der Grundlage von Interviews mit Einwohnern der Insel deren kulturellen Glauben besser verstehen lernen und daraus Optionen für ein solches Management ableiten.

Lang- und kurzfristige Ansätze

Langfristig sieht Brackhane zwei potenzielle Möglichkeiten, um das Problem zu lösen. "Krokodile sollten in Gebieten, in denen sich ihre sowie menschliche Aktivitäten oft überschneiden, gefangen und in Gehegen ausgesetzt werden. Wichtige Lebensräume, in denen Krokodile ihren Nachwuchs aufziehen, könnten als Schutzgebiete mit begrenztem Zugang für Menschen ausgewiesen werden."

Kurzfristig wird indessen auf Aufklärung gesetzt: Die lokale Krokodil-Task-Force stellt Warnschilder an alle Gefahrenstellen auf und veranstaltet Workshops für lokale Fischer. Jetzt wie auch in Zukunft werden aber alle menschlichen Aktivitäten im Wasser, besonders das traditionelle Fischen, ein Risiko bleiben, prognostiziert der Forscher. (red, 4. 7. 2019)