Die Bilder bedeuten Scully viel, verkaufen will er sie nie. Da zwei einander ähneln, schenkt er eines der Albertina. Das Wiener Museum sammelt das Werk des Malers nämlich schon lange.

Foto: Sean Scully

22 Großformate, drei kleinere Gemälde und einige Skizzen und Zeichnungen sind in der Ausstellung zu sehen.

Foto: Sean Scully

Der sonst für seine Mauern aus Farbziegeln bekannte Maler Sean Scully geht in seiner aktuellen Ausstellung in der Albertina seinem Erkennungsmerkmal fremd. Auf neuesten Gemälden und Zeichnungen zeigt Scully nämlich seinen achtjährigen Sohn am Strand der Bahamasinsel Eleuthera. Das Paradies gibt der kleinen Schau auch den Titel.

Seit 40 Jahren lebt der schottische Maler in den USA, das Eiland ist seit langem die Urlaubsinsel seiner Familie. Den Urlaub ließ er sich auch diesmal nicht stören. Die Handyfotos vom sandspielenden Kind verarbeitete Scully erst zurück im Atelier nahe New York zu Großformaten. Wie funktioniert so ein Foto als Bild? Er zoomte hinein, wählte Ausschnitte.

Die Wahrhaftigkeit bewahren

Wie aus bunten Bauklötzchen zusammengebaut wirken diese Bilder, die Farben sind dick und ungemischt nebeneinander gepinselt. Gemalt hat Scully jedes in einem Zug (2015–2017). Die Lebendigkeit und Unschuld des ersten Versuchs findet er wichtig und wahrhaftig, warum sollte er diese durch Überarbeitung nachträglich also für fehlerhaft erklären?

Um den Augenblick geht es auch in den Bildern. Scully wollte nicht seinen Sohn zeigen, sondern den Archetyp eines Kindes in einer Art Ewigkeit. Also hat er das Gesicht, wenn er es überhaupt zeigt, sehr einfach und detaillos gehalten. Stets hockt das Kind am Boden, hat ein Badetuch oder einen Hut auf dem Kopf und ist in sein Spiel versunken. Die Verschiebungen der Szenen sind minimal: Hier sind die Sandhaufen vor dem Buben in Farbwirbel und Krakel aufgelöst, da öffnet das Kind eine Strandtasche, dort hat es Stöckchen, dort leitet es eiszuckerlblaues Wasser durch eine Rinne.

Liebevolle Ausnahme

Scully gestaltet die Farben völlig losgelöst von der Natur, sie geben aber ebenso wenig eine symbolische Lesart von sengender Sonne oder kühlenden Brisen vor. In manchen Bildern lässt Scully einfach die silberne Fläche der Aluminiumplatten, auf denen er malt, großflächig durchschauen. Etwa auf einem von zwei Gemälden, auf denen eine weitere Figur hinter dem Kind kniet: die Mutter. Für Scully haben diese Bilder etwas von Madonna mit dem Kind.

Zum ersten Mal überhaupt werden diese gut 20 Gemälde nun gezeigt. Sie werden keine weiteren figürlichen Arbeiten nach sich ziehen. "Ich liebe abstrakte Malerei. Sie bietet endlose Möglichkeiten für Variationen", kehrt Scully nun zu seinen Streifen und Blöcken zurück. Es sind von der Beziehung zum Motiv geleitete Ausnahmen in seinem Werk. (Michael Wurmitzer, 4.7.2019)