Bild nicht mehr verfügbar.

Österreich hat sich dazu verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen bis 2020 im Vergleich zu 2005 um 16 Prozent zu reduzieren. Das Erreichen des Ziels ist aus wissenschaftlicher Sicht unwahrscheinlich.

Foto: Getty

Seit Jänner herrscht Klarheit: Österreichs Treibhausgasausstoß ist zum dritten Mal in Folge gestiegen. Bekannt wurde auch, dass die Republik 2017 erstmals die nationalen Klimavorgaben laut Zielpfad verfehlt hat. Ein Fall, für den im Klimaschutzgesetz vorgesorgt wurde.

Doch wie so oft ermöglicht das Recht Spielraum für Interpretationsmöglichkeiten. Klar ist: Spätestens im Jänner wurde die Überschreitung bekannt. Damit hätte der Evaluierungsprozess gestartet werden müssen, lautet eine Interpretation des Gesetzestextes. Nun, sechs Monate später, müsste der Prozess demnach abgeschlossen sein und Maßnahmen präsentiert werden. Eine andere Interpretationsmöglichkeit: Erst hat man sechs Monate rein für die Evaluierung Zeit, erst dann muss man sich der Maßnahmenanpassung widmen.

Sechs Monate Zeit

Im Gesetz steht jedenfalls: Bei Überschreiten der Klimaverpflichtungen "sind auf Basis einer Evaluierung der gesetzten Maßnahmen umgehend weitere Verhandlungen über die Stärkung bestehender oder Einführung zusätzlicher Maßnahmen zu führen". Und: Diese Verhandlungen sind "binnen sechs Monaten abzuschließen". Federführend dabei ist das Umweltministerium.

Fest steht: Die Evaluierung wurde bis dato nicht abgeschlossen. Zwar beauftragte die damalige Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) im März – also Monate nach Bekanntwerden der Verfehlung – das Umweltbundesamt (UBA) mit einer solchen Bestandsaufnahme, diese befindet sich aber nach wie vor in Arbeit. Aus dem Ministerium – nun in der Hand von Maria Patek – heißt es, derzeit würden Arbeiten zum "Nowcast", der vorläufigen Treibhausgasbilanz für 2018, laufen. Noch würden Daten dazu fehlen. Die Evaluierung könne man daher erst "im Laufe des Sommers abschließen".

Analyse existiert bereits

Diese Aussage sorgt 200 Kilometer weiter südlich für Verwunderung. Denn im Grazer Wegener Center hat man genau so eine Analyse inklusive vorläufiger Energiebilanz bereits erstellt, die Ergebnisse wurden Anfang Juli auch an Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein kommuniziert. Aus der Analyse geht hervor, dass die Emissionen 2018 aufgrund milderer Wintertemperaturen und der etwas abflachenden wirtschaftlichen Aktivität leicht gesunken sind. Eine langfristige "Trendwende", wie sie von Köstinger postuliert wurde, sei "nicht sichtbar", sagt Klimaökonom Stefan Schleicher vom Wegener Center. "Wir werden die im Klimaschutzgesetz enthaltenen Reduktionsziele für 2020 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreichen." Dass bisher nicht mehr getan wurde, versteht Schleicher nicht: "Wir hatten genug Zeit." Die Zielverfehlungen seien zudem ausreichend früh kommuniziert worden.

Aus Sicht des UBA ist das Erreichen der nationalen Klimavorgaben "plausibel, aber nicht gesichert", wie es in einer Sitzung des nationalen Klimaschutzkomitees (NKK) Anfang der Woche hieß. Das Institut sprach von einer weiteren CO2-Zielüberschreitung im Jahr 2018. Zur Erinnerung: Österreich hat sich verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen außerhalb des Emissionshandels bis 2020 im Vergleich zu 2005 um 16 Prozent zu reduzieren.

Ein Brief und kaum Antworten

Um den Status quo zu erheben, versandte das Umweltministerium Anfang März einen Brief, in dem Länder und Ministerien um eine Auflistung von Klimaschutzmaßnahmen gebeten wurden. Unter anderem erhielt das Verkehrsministerium ein solches Schreiben. Dort verwies man in der Antwort auf eine Arbeitsgruppe und den laufenden Prozess zum nationalen Energie- und Klimaplan. Auf diesen beriefen sich auch die Bundesländer in einer gesammelten Rückmeldung.

Der Brief erging zudem an Finanz- und Wirtschaftsministerium, die laut Umweltministerium darauf nicht reagierten. Auch DER STANDARD erhielt bis Redaktionsschluss seitens des Finanzministeriums keine Rückmeldung auf die Frage, wieso das Schreiben unbeantwortet blieb. Das Wirtschaftsministerium antwortete, es sehe für seinen Zuständigkeitsbereich "keine Möglichkeit, dem Anliegen des BMNT (Umweltministerium, Anm.) – Auflistung der Klimaschutzmaßnahmen – nachzukommen".

"Desillusionierendes" Treffen

Bis Jahresende hat die Regierung noch Zeit, zumindest für die Zukunft an einigen Schrauben zu drehen. Wie berichtet, muss bis dahin der fertige Energie- und Klimaplan vorliegen. Der bisherige Entwurf erntete teils heftige Kritik. Dass sich an der fertigen Version noch viel ändern wird, bezweifelt Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens und Fridays-for-Future-Mitinitiatorin. Sie war Anfang der Woche zur NKK-Sitzung eingeladen, von der sie sich "desillusioniert" zeigt. Eine "ehrliche Auseinandersetzung" mit dem Thema Klimaschutz sei dort nämlich "nicht zustande gekommen". (Nora Laufer, 10.7.2019)