Lungenfacharzt Gernot Rainer fuhr vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) einen juristischen Sieg gegen den Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) ein.

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Wien – Der juristische Sieg des ehemaligen Wiener Spitalsarztes Gernot Rainer vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) gegen den Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) könnte weitreichende Folgen haben. Wie berichtet stellte der OGH letztinstanzlich fest, dass der befristete Dienstvertrag des Lungenfacharztes im Otto-Wagner-Spital unrechtmäßig war.

Diese Entscheidung kann für den städtischen Spitalsträger sehr teuer kommen: Denn nach Ansicht von Rainers Rechtsanwalt Christoph Völk besteht dem Urteilsspruch entsprechend nach wie vor "ein aufrechtes Dienstverhältnis". Der KAV müsste demnach – mit Abschlägen – Gehälter für mehr als drei Jahre nachzahlen. Rainers befristeter Vertrag war vom KAV nicht verlängert worden und am 30. April 2016 ausgelaufen – unrechtmäßig, wie der OGH beschied.

Welche Summe Rainer nachgezahlt werden könnte, wollte der KAV "nicht kommentieren", wie ein Sprecher auf Anfrage sagte. Der KAV werde mit Rainer und Anwalt Völk in Verhandlungen treten und "gemeinsame Lösungen erarbeiten".

Pikante Auswirkungen des Urteils

Nicht nur finanziell sind die Auswirkungen des Urteils für den KAV pikant. Die Frage ist, ob auch weitere Mitarbeiter innerhalb des Spitalsträgers mit unrechtmäßigen Kettenverträgen ausgestattet sind. Sprich: Ob sich Ärzte in einem befristeten Dienstverhältnis befinden, obwohl dieses unbefristet sein müsste. Rainer hatte erneut einen befristeten Vertrag erhalten, obwohl er sich als Facharzt nicht mehr in Ausbildung befand, sondern ein Additivfach – also eine Spezialisierung – absolvierte.

Laut einem Sprecher der Ärztekammer Wien "wird gerade geprüft", ob es weitere solcher unrechtmäßig befristeten Dienstverhältnisse gibt. Erste Gespräche mit dem KAV und innerhalb der Ärztekammer seien bereits vereinbart. Nach derzeitigem Stand seien aber "keine Fälle bekannt".

Asklepios geht von weiteren Fällen aus

Anna Kreil, Obfrau der Ärztegewerkschaft Asklepios und Spitalsärztin, geht von weiteren Fällen aus. "Wir werden auch unsere Mitglieder fragen und auf Wunsch die Verträge überprüfen. Es wird sich für Betroffene auszahlen." Die Gewerkschaft Asklepios, die von Rainer mitgegründet wurde, hat nach Eigenangaben rund 1500 Mitglieder.

Einen größeren Missstand hält Kreil innerhalb des KAV aber für nicht wahrscheinlich – und verweist auf die Ausbildungsreform 2015, mit der Kettenverträge hintangestellt wurden. Laut Kreil könnte es aber weiterhin Kollegen geben, die aus der Übergangsphase noch befristete Verträge mitgenommen haben. Zudem seien Kettenverträge "vor allem im Bereich der Unikliniken ein Problem".

Ein Sprecher des KAV konnte auf Anfrage "ad hoc keine Zahlen nennen", wie viele solcher problematischen befristeten Dienstverträge noch im Unternehmen bestehen.

Rainer mittlerweile Wahlarzt

Lungenfacharzt Rainer, der eine Wahlarztpraxis in Wien-Döbling betreibt, hatte nach der Nichtverlängerung seines KAV-Vertrags den Rechtsweg beschritten. Er führte den Umstand auf seine gewerkschaftliche Tätigkeit für Asklepios und auf öffentlich geäußerte Kritik an der Stadt Wien zurück. Seine Klage wurde 2017 abgewiesen. Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung in zweiter Instanz: Sein damaliges Dienstverhältnis sei nicht auf die Umwandlung in einen unbefristeten Vertrag ausgelegt gewesen, hieß es. Das Höchstgericht änderte nun sämtliche für Rainer negativ ausgefallenen Urteile ab. Der KAV kündigte an, das Urteil "zur Kenntnis zu nehmen und zu akzeptieren".

Die Causa Rainer – dieser ist mittlerweile Ehrenmitglied bei der Gewerkschaft Asklepios – hatte zuvor schon Auswirkungen für den KAV. Der Arzt war 2016 trotz eines ansonsten ausgezeichneten Dienstzeugnisses nicht verlängert worden, weil er sich "mit den Gesamtinteressen der Stadt Wien nicht identifiziere". Nach Kritik von der Volksanwaltschaft strich die Stadt Wien jenes Kriterium aus der standardisierten Mitarbeiterbeurteilung, das für Rainer die Nichtverlängerung seines Vertrags bedeutet hatte. (David Krutzler, 12.7.2019)