Neben der Erstellung des Arbeitsprogramms der EU-Kommission für die Legislaturperiode 2019–2024 gehört die Aufstellung eines Teams von 28 Kommissarinnen und Kommissaren zu den zentralen Aufgaben eines neuen "Präsidenten der Kommission", wie er oder sie in den EU-Verträgen formell ungegendert genannt wird.

An sich sind Kommissare "Gleiche unter Gleichen", haben je eine Stimme. Sie bilden ein Kollegium, in dem Mehrheitsentscheidungen getroffen werden. Seit der Direktwahl des Präsidenten im EU-Parlament und dem Vertrag von Lissabon kommt ihr/ihm aber eine besonders starke Stellung zu.

Leitlinien und Personal

Sie/er gibt nicht nur die politischen Leitlinien vor. Der Präsident allein entscheidet auch darüber, wie er das Kollegium organisiert – also etwa wie die Kompetenzen an Einzelne verteilt werden und wie viele Vizepräsidenten es gibt. Der Präsident kann auch jederzeit Kommissare entlassen, wenn er sie für ungeeignet hält.

Deshalb wird es für Ursula von der Leyen sehr wichtig und entscheidend sein, wie starken Rückhalt sie bei der Abstimmung im Europäischen Parlament erhält, bzw. aus welchen Lagern er kommt. Auch wenn das Votum geheim ist: Mit Fraktionen, Regierungen und nationalen Delegationen gilt es viele Deals zu machen, um Mehrheiten abzusichern.

Was das Personal betrifft, ist manches geheim, einiges bereits bekannt. Prinzipiell ist es so, dass die Kandidaten für Kommissarsämter von nationalen Regierungen nominiert werden, aber nur "im Zusammenwirken" mit dem Chef der Kommission.

Außenbeauftragter gilt als fix

Vom Vertrag her gibt es nur eine Position, die (neben der Präsidentin) direkt von den Regierungschefs besetzt wird: der EU-Außenbeauftragte, der gleichzeitig automatisch Vizepräsident der Kommission ist. Bisher war das die Italienerin Federica Mogherini. Sie wird am 1. November durch Spaniens Außenminister Josep Borrell ersetzt, Sozialdemokrat (S&D) wie sie.

Josep Borrell wird wohl EU-Außenbeauftragter.
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Er war Teil des großen EU-Personalpakets beim EU-Gipfel am 2. Juli, als von der Leyen nominiert wurde, anstatt eine/r der Wahlspitzenkandidaten, wie das Parlament es wollte: der Deutsche Manfred Weber (EVP), der Niederländer Frans Timmermans (S&D) und Margrethe Vestager (Liberale) aus Dänemark.

Weber soll Parlamentschef werden

Ein Drei-Parteien-Deal der Regierungschefs sieht vor, dass Weber nun ab 2022 Parlamentspräsident wird, Timmermans "Erster Vizepräsident der Kommission", damit quasi Stellvertreter von von der Leyen. Das ist im Vertrag so gar nicht vorgesehen. Aber sie hat das bereits fixiert und will es dem Sozialdemokraten überlassen, ob er in der Kommission weiterhin für Grundrechte zuständig sein will oder ein anderes Dossier führt.

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Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager soll Vizepräsidentin werden.
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Die jetzige Wettbewerbskommissarin Vestager wird zur Vizepräsidentin aufgewertet, "auf Augenhöhe mit Timmermans", wie von der Leyen betont. Diese drei werden mit ihr die Spitze bilden, sie sind die einzigen Kommissare, die sie bisher bestätigt hat.

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Auch Frans Timmermans ist von von der Leyen fix gesetzt.
Foto: AP / Olivier Matthys

Weitere elf nationale Regierungen haben ihre Kandidaten für Kommissarsämter bereits fixiert. Österreich will, dass EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn (EVP) eine dritte Amtsperiode anhängt. Lettland nominierte mit Valdis Dombrovskis ebenso einen "Altkommissar" (derzeit Vizepräsident für Euro und Soziales, er könnte auf ein starkes Finanzressort wechseln) wie Irland mit Phil Hogan (bisher Agrar, für Handel im Gespräch) und Bulgarien mit Marija Gabriel (Digitales). Alle vier Genannten gehören zur EVP. Aus der Slowakei soll erneut S&D-Mann Maroš Šefčovič (Vizepräsident, Energie) Kommissar werden. Tschechien beabsichtigt Věra Jourová (Liberale, derzeit Justizkommissarin) zu nominieren.

Von der Leyen müsste also vorab acht von 28 Kommissaren der Juncker-Kommission "übernehmen". Doch damit nicht genug.

Nichts ist fix

Die Regierung in Luxemburg schlug Nicolas Schmit, EU-Abgeordneter (S&D) und Ex-Arbeitsminister, vor. Er könnte eine Sozialagenda übernehmen. Sein Parteifreund Pedro Marques, EU-Abgeordneter und Ex-Minister in Portugal, interessiert sich für Regionalpolitik. Estland bringt Ex-Wirtschaftsministerin Kadri Simson, eine Liberale, ins Spiel, die Energie oder Binnenmarkt verantworten könnte. Jutta Urpilainen, sozialdemokratische Ex-Finanzministerin aus Finnland, könnte ein bedeutendes Wirtschafts- und Finanzressort bekommen.

Aber nichts ist fix. Alle Kandidaten müssen bei einer Nominierung erst noch Anhörungen in Ausschüssen des EU-Parlaments überstehen. Da könnte es für manchen Nominierten schwierig werden, etwa für László Trócsányi, einen Ex-Justizminister der Regierung Orbán. (Thomas Mayer aus Brüssel, 15.7.2019)