Gefällige Tanzmusik für Hipster: Peggy Gou.

Foto: Jungwook Mok

Im Wesentlichen ist Peggy Gou 2019 so hip und "lit", dass es wehtut. "Lit" ist Jugendsprache und bedeutet, Peggy Gou ist gut und alles, was der Fall ist. Voriges Jahr absolvierte die aus Seoul stammende 29-jährige als DJane in 365 Tagen 200 Auftritte auf allen fünf Kontinenten. Das geht sich gesundheitlich knapp aus, wenn man noch jung ist und viel Wasser bei wenig Drogen trinkt. Außerdem sollte das Schlafen zu unregelmäßigen Zeiten in unbequemen Positionen in Flugzeugen kein gröberes Problem darstellen.

Peggy Gou gilt damit im Genre der international Tonkonserven vor Publikum abspielenden DJ-Entertainer etwa neben der Russin Nina Kraviz oder der US-amerikanischen DJane The Black Madonna als einer der wenigen weiblichen Stars im traditionell männlich dominierten Genre. Mit einer beständig Richtung der Millionenmarke gehenden Zahl von Followern auf Instagram hatte sie es, abgesehen von einigen wenigen Singles und EPs, nach nur zwei-, dreijähriger internationaler Karriere bisher auch nicht nötig, ein eigenes Album zu veröffentlichen.

Ninja Tune

Allerdings hat Peggy Gou nun ein Doppelalbum für die legendäre Reihe DJ-Kicks kompiliert, das beim global enorm einflussreichen Label !K7 mit Stammsitz in Berlin und natürlich Zweigstellen in London und New York erscheint. Die darauf enthaltenen und nicht zu radikal miteinander gemischten Tracks bieten gewöhnlich einen Einblick in die Plattensammlung von verdienten DJs und Musikern. Einflüsse werden deutlich, "Inspirationen" und Samples offengelegt.

Sehnsuchtsort Ibiza

Die Südkoreanerin Peggy Gou zieht dabei einen breiten und eklektizistischen Spannungsbogen auf. Neben Stücken des Genrevaters Aphex Twin, der hier mit einem wilden Breakbeat-Stück namens Vordhosbn vertreten ist, oder dem alten Rave-Klassiker Exorcist von Shades of Rhythm finden sich auf Gous Sammlung auch klassischer Disco, altbewährter House, Techno und diverses exotisches Zeug zwischen Fusionjazz-Tanzvergnügen und balearischer Bassmusik. Mit der verlängert man in den Clubs des Party-Sehnsuchtsorts Ibiza gern die Nacht hin Richtung Mittag.

Antiker Hip-Hop, Skrillex-EDM, ein wenig Computerspiel-Gedudel kommen noch dazu. All dies bildet schließlich als Mischmasch auch die Grundlage für ihre eigenen Arbeiten. Der Track It Makes You Forget (Itgehane) zählt auf Youtube mittlerweile mehr als sechs Millionen Klicks.

Boiler Room

Gefällige Mucke, die nicht nur bei ihrer weltweit immer ganz vorn bei der Budel stehenden koreanischen Fanbase für Entzücken sorgt. Die Kultur der Nettigkeit hat immer Saison. Trotz oder gerade wegen konsequent koreanischen Flüstergesangs kommt das auch beim europäischen Hipster-Volk ausgezeichnet an. Hip auch wie in: Wehtun darf es natürlich in Wahrheit eh niemandem. Wir leben musikalisch mehr denn je und Klick für Klick im Zeitalter der Laufkundschaft.

Das auf dem Sampler enthaltene neue Stück Hungboo bietet sich mit seinem Bongo- und Perkussionsgeklöppel sowie asiatischen Ethno-Elementen auf gemütlicher Cocktail-House-Grundlage zudem ideal als Soundtrack für den Sommer an. Wenn das so weitergeht, wird Peggy Gou möglicherweise mit diversen Kollaborationen auch noch David Guetta Konkurrenz machen. Dann ist sie zwar nicht mehr hip, aber gut versorgt.

Asiatisches Fabelwesen

Nachdem sie mit 14 Jahren von Seoul nach London übersiedelte, um dort Mode zu studieren, und nach diversen Zwischenstationen hat Peggy Gou seit vier Jahren ihre Zelte in Berlin aufgeschlagen. Hier hat sie überhaupt erst eine DJ-Lehre begonnen. Der Standort Berlin ist für Vielflieger und auch das Prestige aufgrund des Berghain-Bonus nachgerade Pflicht.

Im September wird Peggy Gou zu ihren Wurzeln zurückkehren und eine eigene Modelinie namens Kirin (ein asiatisches Fabelwesen) präsentieren. Eingebettet in den Konzern NGG, der im Vorjahr 250 Millionen Euro Umsatz machte, könnte das für einen zusätzlichen Schub sorgen. Immerhin erzielen Popstars wie Rihanna oder Jennifer Lopez und, und, und in Zeiten des Streamings mit derartigen zweiten Standbeinen schon längst mehr Gewinne als mit ihrer Musik. Mit 40 noch jede Nacht hinter der Budel zu stehen und Platten zu verlegen ist langfristig sowieso keine Option. (Christian Schachinger, 18.7.2019)