Wolodymyr Selenskyj hat es geschafft! Es ist ihm gelungen, seine eigene Popularität in Ratingpunkte seiner Partei "Diener des Volkes" umzumünzen. Sie hat die Regierungsmehrheit, damit kann Selenskyj sein Programm verwirklichen. Nun wird er aber auch beweisen müssen, was seine Versprechen tatsächlich wert sind.

Bisher war Selenskyj in der bequemen Position, als Präsident Kritik üben zu können, ohne selbst politisch haftbar zu sein. Zwar ist in den zwei Monaten seit Amtsantritt nichts passiert, doch Selenskyj konnte sich stets mit dem Verweis auf die ihm feindlich gegenüberstehende Rada rechtfertigen, die alle seine Gesetzesinitiativen blockierte. Nun hat er ein Taschenparlament – nun muss er liefern!

Die Partei "Diener des Volkes" des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat die absolute Mehrheit in der Rada gewonnen.
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Und die Ukrainer erwarten einiges von Selenskyj. Er ist angetreten mit dem Versprechen, den Krieg im Donbass-Gebiet zu beenden, aber auch das Leben aller Ukrainer zu erleichtern. Der Lebensstandard ist gering, die Wirtschaft braucht neue Impulse. Geld, um beides unter einen Hut zu bringen, gibt es praktisch nicht. Der von Selenskyj ausgerufene Kampf gegen die Korruption ist nicht originell – die Losung spukt seit Jahren durch die Politik. Doch Erfolge gegen die Oligarchie gelangen kaum.

Umso wichtiger ist es, dass er es schafft, sich abzugrenzen – auch von seinem einstigen Förderer Ihor Kolomojskyj. Nur so kann er Vertrauen und Investoren gewinnen, die Kiew so dringend für den Aufschwung benötigt. (André Ballin, 22.7.2019)