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Der frühere Notenbankchef Murat Çetinkaya wurde erst vor zwei Wochen seines Amtes enthoben.

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Es ist ein altes, wenn auch wenig bewährtes Mittel: Werden die Schulden zu hoch, greift die Regierung ein und löst das Problem indirekt über Inflation oder direkt mit einem Schuldenschnitt.

Parlamentarier der regierenden AKP und MHP beschlossen Anfang der Woche ein Stimuluspaket, das überschuldeten Unternehmen helfen soll. 400 Milliarden Lira (63 Mrd. Euro) Schulden sollen restrukturiert werden. Zahlreiche türkische Unternehmen sind im vergangenen Sommer in die Schuldenfalle getappt. Aufgrund von Streitigkeiten zwischen US-Präsident Trump und Erdogan hatte die türkische Lira in kurzer Zeit 40 Prozent an Wert verloren.

Steigende Zinslast

Das setzte türkische Unternehmen massiv unter Druck. Da sie in den vergangenen Jahren vor allem Kredite in Fremdwährungen wie US-Dollar und Euro aufgenommen hatten, stieg ihre Zinslast. Damit wuchs sich die Finanzkrise zur Wirtschaftskrise aus. Insolvenzen häuften sich, die Arbeitslosigkeit stieg auf 15 Prozent. Weil die Zentralbank auf Druck Erdogans erst spät mit einer Zinserhöhung reagierte, stieg die Inflation auf zeitweise 25 Prozent.

Eine eigens gegründete Kommission soll jetzt prüfen, für welche Unternehmen eine Umschuldung infrage kommt. Die Schulden sollen dann zu einem günstigeren Zinssatz refinanziert werden. Die Kommission ist mit Regierungsmitgliedern besetzt, vor allem der AKP nahestehende Unternehmen dürften profitieren.

Inflation bei 18 Prozent

Das dafür notwendige Geld soll direkt von der türkischen Zentralbank kommen. Erst vor zwei Wochen hatte Erdogan per Dekret deren Chef, Murat Çetinkaya, des Amtes enthoben und ihn durch seinen Stellvertreter ersetzt. Vorausgegangen war ein Streit: Immer wieder hatten Erdogan und sein Schwiegersohn, Finanzminister Berat Albayrak, auf Zinssenkungen gedrängt. Dem war Çetinkaya nicht nachgekommen. Die türkische Zentralbank tagt am kommenden Donnerstag. Erwartet wird eine Zinssenkung von 250 oder 300 Basispunkten. Damit läge der Leitzins wieder bei 21 Prozent. Die Inflation notiert im Moment bei 18 Prozent. Prinzipiell besteht also Raum für eine Zinssenkung. Problematisch ist nur, dass Erdogan als Feind hoher Zinsen gilt und er seine Macht über die Zentralbank in den vergangenen Monaten immer weiter ausgedehnt hat. Die Unabhängigkeit der Institution gilt mittlerweile als schwer beschädigt.

Sorgen bereitet auch das Handelsbilanzdefizit. Das lag für die Monate Jänner bis Juni bei 78,6 Milliarden Lira (12,3 Mrd. Euro). Damit ist das Jahresziel der Regierung von 80,6 Milliarden Lira fast überschritten. Dabei hat sich Lira von ihren Tiefs im vergangenen Sommer erholt. Für einen Euro erhält man derzeit 6,35 Lira. Vor einem Jahr waren es zeitweise mehr als sieben Lira gewesen. (Philipp Mattheis aus Instanbul, 24.7.2019)