Der Wartungsstillstand in einem Hochofen der Voest sorgte für einen deutlichen Emissionsrückgang im Jahr 2018.

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Im Umweltministerium und bei dessen Ex-Chefin herrscht Jubelstimmung: "Trendwende gelungen!", twitterte das Ministerium am Sonntag. Elisabeth Köstinger (ÖVP) legte nach: "Unsere Mission 2030 (die türkis-blaue Klimastrategie, Anm.) zeigt Wirkung." Auslöser für die Freudenbotschaften ist die jüngst veröffentlichte vorläufige Treibhausgasbilanz. Laut Ministerium sind die Emissionen 2018 in Österreich im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 Prozent zurückgegangen – und das "trotz des starken Wirtschaftswachstums von 2,7 Prozent". "Ein wichtiger Erfolg", wie es heißt.

Der Tweet des Umweltministeriums am Sonntag.

Nun möchte man meinen, eine solche Botschaft würde auch in Umweltorganisationen für Freude sorgen. Diese verweisen jedoch auf einige Details in dem Bericht des Umweltbundesamts: Zwar seien die Emissionen insgesamt zurückgegangen, Grund dafür sei aber nicht die Politik der letzten Jahre: Vielmehr hätte ein milder Winter – und ein entsprechend niedrigerer Energieverbrauch – sowie ein Wartungsstillstand in einem Hochofen der Voest für ein besseres Ergebnis gesorgt.

"Völlig überzogen"

Auch in der Wissenschaft sorgt die Meldung für wenig Euphorie. Das Umweltministerium hätte die Sondereffekte viel deutlicher kommunizieren müssen, sagt Klimaökonom Stefan Schleicher zum STANDARD. "Es ist völlig überzogen zu behaupten, wir hätten in einem Jahr auf einmal um 3,2 Millionen Tonnen weniger emittiert."

Zudem sollten Sondereinflüsse wie eben die Wartung des Hochofens extra ausgewiesen werden: "Wir brauchen dringend eine bezüglich Temperaturtage und Konjunktur bereinigte Energie- und Emissionsbilanz", sagt Schleicher. "Nur nach diesen Bereinigungen werden die Energie- und Emissionsbilanzen bezüglich struktureller Änderungen aussagefähig." Eine solche Berechnung wird beispielsweise in Deutschland veröffentlicht.

Schleicher plädiert zudem dafür, ein zeitnäheres Monitoring zu veröffentlichen – das sei "durchaus möglich". Würde die Bevölkerung alle paar Monate informiert werden, würde auch die Aufmerksamkeit für das Thema steigen.

Hochofenwartung fällt schwer ins Gewicht

Das Wegener Center hat bereits vor rund einem Monat eine ähnliche Nahzeitprognose erstellt. Dabei kam das Forschungszentrum zu leicht abweichenden Ergebnissen: Außerhalb des Emissionshandels gingen die Wissenschafter von einem leicht höheren Wert aus – der Rückgang bei Methan und Rinderzahlen wurde weniger stark einberechnet. Der Gesamtwert liegt ganze zwei Millionen Tonnen über den Ergebnissen des Umweltbundesamts – das sei der Sondereffekt durch die Hochofenwartung, heißt es aus dem Wegener Center.

Foto: UBA/Wegener Center

Laut der vorläufigen Prognose – finale Ergebnisse sollen Anfang 2020 vorliegen – sind die Emissionen österreichweit von 82,3 Tonnen auf 79,1 Millionen Tonnen CO2 zurückgegangen. Damit liegt der Wert nach wie vor über jenem aus dem Jahr 2015. Auch außerhalb des Emissionshandels sind die Werte gesunken – liegen aber über jenen des Jahres 2016. Insgesamt verzeichneten alle Sektoren bis auf den Verkehr einen Rückgang.

Mehr als einjährige Sondereffekte notwendig

Für die postulierte "Trendwende" wären jedenfalls mehr als einjährige Sondereffekte notwendig, sagt Schleicher. Die langjährige Sicht zeige vielmehr, dass Österreich nicht nur am nationalen Klimaziel vorbeischießt, sondern auch im EU-Schnitt schlecht dasteht: Fast alle EU-Länder konnten im vergangenen Jahrzehnt im Vergleich zu dem davor ihren Treibhausgasausstoß reduzieren. Nur in fünf Staaten – darunter auch Österreich – stieg der Ausstoß an. Nichtsdestoweniger fällt das Fazit des Umweltbundesamts positiv aus: Seit 2005 sei ein "rückläufiger Trend" der Treibhausgasemissionen zu beobachten. Die Abnahme trotz wachsender Wirtschaft würde zeigen, "dass die getroffenen Klimaschutzmaßnahmen wirksam sind".

Auf diesen Schluss – zumindest was den Rückgang im Jahr 2018 betrifft – kommt man im Wegener Center jedenfalls nicht. Auch Köstingers Aussage, die Abnahme würde Erfolge der Mission 2030 reflektieren, hält Schleicher für "nicht nachvollziehbar". (Nora Laufer, 29.7.2019)