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Trump beherrscht die Taktik des "Gaslighting" perfekt. Aber auch hierzulande wird sie fleißig praktiziert.

Foto: Reuters/LEAH MILLIS

Haben Sie in letzter Zeit beim Beobachten der politischen Bühnen oder während Meetings in der Firma öfter an der eigenen Wahrnehmung gezweifelt? Es handelt sich hochwahrscheinlich um "Gaslighting". In der Psychologie gut beschrieben, sind diese Praktiken psychischer Gewalt aktuell hierzulande auch als Übungsfeld der Mächtigen gut zu studieren. Es handelt sich um eine skrupellose Manipulationstaktik, die Umdeuten, Erfinden, Abwerten, So-lange-Verunglimpfen und Denunzieren zum Inhalt hat, bis das Gegenüber den Boden unter den Füßen verliert, der eigenen Wahrnehmung nicht mehr traut und quasi wahnsinnig wird. Der oder die Gaslighter festigen die Macht, bringen ihre gewünschte Wahrheit in die Welt und räumen damit die Gegner aus dem Feld. US-Präsident Donald Trump hat darin viel Übung.

Aber bei uns wird das auch fleißig praktiziert: Das Ibiza-Video ist lustig, die Verluste der Firma sind Gewinne, das Versagen ist Erfolg, jedes Auto hat drei Räder. Geisterfahrer sind alle, die sich an die Rechtsfahrordnung halten, und zur Not ist auch noch der Eisbär in der Arktis, dem die Futtergründe wegschmelzen, freiwillig auf Diät, weil er sich als zu dick empfindet. In der Politik, wo einst relativ stabile Machtverhältnisse dispergiert werden und heterogene Wählergruppen Mehrheiten erschweren, ist Gaslighting ein wichtiges Instrument.

"Du irrst dich, das wurde nie gesagt"

In der Wirtschaft gedeiht es dort, wo dauernd Geschäftsmodelle über den Haufen geworfen werden und die jeweils aktuelle Marschrichtung als das alleinige Heil verkauft werden muss. Wer sich genau erinnert, dass der Chef gestern als "super" verkauft hat, was heute "total verboten" ist, der hört: "Du irrst dich, das wurde nie gesagt."

Mit Konsequenz und ausreichender Skrupellosigkeit betrieben, funktioniert es auch perfekt. Verunsichert total und raubt die Orientierung. Widerstand lässt sich so brechen – wenn man das will. Empfehlenswert dazu am nächsten Regenabend Das Haus der Lady Alquist – Ingrid Bergmann ist da Opfer ihres Ehemanns, der Gaslighting perfekt beherrscht. Schade, dass es keine gute Übersetzung ins Deutsche gibt, dann könnte man besser darüber diskutieren. Auch sich davor zu schützen ist schwierig – besonders in Abhängigkeitsverhältnissen und Hierarchien: Was kann man tun? Ausweichen, wenn möglich. Mit Kollegen die eigene Wahrnehmung abgleichen. Der inneren Stimme vertrauen. Professionelle Hilfe holen. (Karin Bauer, 2.8.2019)