Ab sofort soll es durch die Karenz keine Einschnitte beim Gehalt mehr geben.

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Ab sofort werden Karenzzeiten voll anerkannt. Für die Bemessung von Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsfristen wurden bisher maximal zehn Karenzmonate angerechnet. Seit Donnerstag wird für alle Ansprüche, die sich nach der Dauer der Beschäftigung richten – also auch Gehaltsvorrückungen –, die gesamte Karenzzeit in vollem Umfang berücksichtigt. Bis zu 24 Monate können künftig angerechnet werden.

Am Donnerstag ist die volle Anrechnung von Karenzzeiten bei Ansprüchen, die von der Beschäftigungsdauer abhängig sind, in Kraft getreten. Dazu zählen beispielsweise Gehaltsvorrückungen. Der Beschluss wurde Anfang Juli im Nationalrat gefasst.
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Was bisher teilweise durch Kollektivverträge geregelt war, tritt nun flächendeckend für alle Branchen in Kraft. Die entsprechende Änderung des Mutterschutzgesetzes war Anfang Juli einstimmig im Nationalrat beschlossen worden. Sowohl SPÖ als auch ÖVP reklamierten die Urheberschaft für sich. Die Regelung gilt allerdings nicht rückwirkend. Das hätte zu viel gekostet, argumentierte die ÖVP. Die Rede war von bis zu 400 Millionen Euro Mehrkosten.

Die Abgeordneten sind sich einig, dass die Neuerung vor allem für Frauen Vorteile bringen wird. SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek sprach von einem "großartigen" Beschluss. Schließlich gebe es vor allem in Branchen mit vielen Frauen noch keine entsprechende kollektivvertragliche Regelung. Zudem seien rund 100.000 Arbeitnehmerinnen von keinem Kollektivvertrag umfasst. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach von einem "sozial- und frauenpolitischen Meilenstein". Sie sieht in der Anrechnung ein wirksames Mittel, die Lohnschere zu schließen. Die Frauen bekämen dadurch auch mehr Pension.

"Erfreuliches Signal an die Frauen"

Auch ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger, FPÖ-Frauensprecherin Carmen Schimanek und Jetzt-Sozialsprecherin Daniela Holzinger-Vogtenhuber begrüßten den Beschluss. Wöginger zeigte sich am Donnerstag sehr zufrieden über diese "wichtige sozial- und familienpolitische Maßnahme", da laut Einkommensbericht die Karenzzeiten eine Hauptursache für Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern seien. "Ziel war es, diese Benachteiligung in Zukunft zu vermeiden."

Schimanek nannte den Beschluss im Juli ein "ein erfreuliches Signal an die Frauen in Österreich". Er könnte aber keineswegs "das Ende der Fahnenstange bedeuten", wie sie sagt: "Wir haben in Österreich leider die Situation, dass Frauen im Schnitt viel weniger Einkommen haben als Männer. Traurigerweise bedeutet für Frauen das Kinderkriegen meist einen diesbezüglichen Einschnitt. Es ist die Aufgabe der Politik, das zu ändern."
Auch Holzinger-Vogtenhuber sagte, dass mit der vorliegenden Initiative die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zwar nicht beseitigt werde, es sich aber um eine wichtige Maßnahme handle.

Kritik von IV und WKO

Auch die Gewerkschaften heißen die Anrechnung gut. Weniger glücklich mit der Neuerung sind allerdings die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer bezeichnete den Beschluss als "unausgegorene Maßnahme". Zuvor hätten die vollständigen Auswirkungen auf den Standort betrachtet werden müssen. Die WKO sprach von einer "erheblichen Belastung für Betriebe". Diese unverhältnismäßige Anrechnung widerspreche dem Gedanken von Vorrückungen in Kollektivverträgen, weil hier der Produktivitätszugewinn durch betriebliche Erfahrung vergütet werde. (red, 1.8.2019)