Seesterne reagieren auf das vermeintliche "Kuschelhormon" ganz anders als wir.
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In den vergangenen Jahren hat es reihenweise Studie zum abwechselnd "Liebeshormon" und "Kuschelhormon" genannten Oxytocin gegeben. In der Regel war der Fokus darauf gerichtet, wie dieses im Gehirn produzierte Hormon soziale Bindungen und Interaktionen stärkt – ob zwischen Mutter und Kind, zwischen Geschlechtspartnern oder auch in weitläufigeren sozialen Gefügen.

Obwohl dieser Aspekt zumeist im Vordergrund steht, haben Forscher auch schon feststellen können, dass Oxytocin eine gewisse Rolle für den Stoffwechsel spielen dürfte. Sowohl bei Menschen als auch bei anderen Säugetieren zeigte sich bei Verabreichung von Oxytocin eine verringerte Gewichtszunahme bei hochkalorischer Ernährung oder sogar eine Gewichtsabnahme.

Liebe geht durch den Magen

Einen sehr direkten Zusammenhang zwischen dem Nicht-nur-Liebeshormon und der Ernährung bzw. dem Essverhalten haben nun Forscher der Queen Mary University in London festgestellt. Ihre Versuchstiere waren im Stammbaum des Lebens allerdings ein gutes Stück weiter von uns entfernt als Säugetiere – nämlich Stachelhäuter, genauer gesagt Seesterne. Wie das Team um Maurice Elphick im Fachjournal "BMC Biology" berichtet, löst die Verabreichung eines Oxytocin entsprechenden Hormons bei Seesternen Fressverhalten aus – selbst wenn gar nichts zu fressen da ist.

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Konkret sah das im Versuch so aus: Nachdem einem Gemeinen Seestern (Asterias rubens) eine Dosis des Hormons Asterotocin gespritzt worden war, krümmte er nach wenigen Minuten seine Arme und nahm die kauernde Stellung ein, mit der er normalerweise über seiner Beute sitzen und deren Schutz – etwa die Schale einer Muschel – aufspreizen würde. Anschließend stülpte er nach Seestern-Art seinen Magen über die nicht vorhandene Beute, um sie zu zersetzen und wie eine Suppe in sich aufzunehmen.

Ein Mittel gegen Riff-Räuber?

Neben diesem "fiktiven Fressen" stellten die Forscher noch eine weitere Wirkung fest: Das Hormon machte die Seesterne selbst für Stachelhäuterverhältnisse behäbig. Dreht man einen Seestern auf den "Rücken", kann er sich selbsttätig wieder aufrichten: eine überlebenswichtige Fähigkeit, immerhin kann es immer wieder vorkommen, dass er durch Wellen oder Strömungen umgedreht wird. Die hormonbehandelten Seesterne brauchten aber doppelt bis dreimal so lange, um wieder in die richtige Position zu kommen.

Der starke Einfluss, den das Hormon auf Seesterne hat, ließe sich laut den Forschern möglicherweise dafür nutzen, die Tiere dort unter Kontrolle zu bekommen, wo sie Schaden anrichten. Dass Seesterne in unserer Wahrnehmung in annähernd pflanzlichem Nicht-Tempo unterwegs sind, ändert nämlich nichts daran, dass es sich um gefräßige Räuber handelt. Speziell der Dornenkronenseestern (Acanthaster planci), der sich von Korallen ernährt, richtet an ohnehin schon geschädigten Riffen wie dem Great Barrier Reef Australiens Verheerungen an. Jedes Mittel, den Vormarsch der Riff-Räuber einzubremsen, wäre daher willkommen. (jdo, 30. 8. 2019)

Zum Schutz der Riffe gegen Dornenkronenseesterne müssen Taucher heute noch mit der Giftspritze ausrücken. Doch vielleicht lassen sich die Räuber in Zukunft mit weniger drastischen Mitteln unter Kontrolle halten.
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